Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 41
Ein Letter of Intent (LOI) ist eine schriftliche Absichtserklärung des potenziellen Erwerbers an den Verkäufer, in dem dieser seine grds. und ernsthafte Absicht zum Abschluss einer Unternehmenstransaktion zum Ausdruck bringt. Je nachdem, ob die Erklärungen von nur einer Partei oder von Kaufinteressenten und Unternehmensverkäufer gemeinsam abgegeben werden, wird zwischen dem "einseitigen" und dem "zweiseitigen" Letter of Intent unterschieden. In der Praxis ist der "zweiseitige" Letter of Intent, der durch Gegenzeichnung der Absichtserklärung des Interessenten durch den Verkäufer zustande kommt, die weitaus üblichere Variante.
Rz. 42
Der Letter of Intent wird üblicherweise unter dem Vorbehalt bestimmter Bedingungen abgegeben (Durchführung einer zufriedenstellenden Due Diligence, Zustimmung bestimmter Gremien etc.). Da er regelmäßig nicht in der Form des beabsichtigten Hauptgeschäfts gehalten ist (z.B. notarielle Beurkundung bei Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen) und überdies ein Rechtsbindungswillen der Parteien (ausdrücklich oder aufgrund der konkreten Ausgestaltung) ausgeschlossen ist, entfaltet er, mit Ausnahme einiger weniger Klauseln (s. Rdn 43), keine rechtliche Bindungswirkung, insb. keine Verpflichtung zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages. In diesem Punkt unterscheidet sich der Letter of Intent v.a. vom Vorvertrag, der die Parteien regelmäßig zum Abschluss eines Hauptvertrages verpflichtet (s. Rdn 47).
Hinweis
Mag der Letter of Intent in den meisten Fällen keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, so ist seine faktische und psychologische Bindungswirkung doch nicht zu unterschätzen. Von den in einem Letter of Intent fixierten Punkten kann eine Partei erfahrungsgemäß später nur schwer und mit großem Argumentationsaufwand "herunterkommen". Das betrifft insb. den Kaufpreis und die seiner Ermittlung zugrunde liegenden Bewertungsgrundlagen (soweit nach außen offengelegt).
Rz. 43
Darüber hinaus enthalten Letters of Intent häufig auch Elemente einer Vertraulichkeitsvereinbarung (z.B. Abwerbeverbote, Geheimhaltungspflichten etc.) sowie Exklusivitätsklauseln, wonach sich der Verkäufer verbindlich verpflichtet, für einen bestimmten Zeitraum keine Verkaufsverhandlungen mit anderen Interessenten aufzunehmen (bzw. fortzusetzen, sog. Verhandlungsexklusivität) und/oder zumindest keinen verbindlichen Vertrag über die Veräußerung des Zielunternehmens mit Dritten abzuschließen (sog. Abschlussexklusivität). Nach dem Willen der Parteien sollen diese Klauseln – im Gegensatz zum restlichen Inhalt des Letter of Intent – i.d.R. jedoch rechtliche Bindungswirkung entfalten und zwischen den Parteien Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründen.
Hinweis
Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten kann es sich empfehlen, dass die Parteien in den Letter of Intent eine zusätzliche Bestimmung darüber aufnehmen, welche Klauseln (ausnahmsweise) verbindlich sein und welche eine bloße unverbindliche Erklärung einer Absicht darstellen sollen (Non-Binding-Clauses).
Wegen der oft erheblichen Nebenkosten im Vorfeld einer Transaktion (insb. für Honorare der für die Due Diligence eingesetzten Berater) kann es sich auch empfehlen, (rechtsverbindliche) Regelungen über die Kostentragung aufzunehmen, für den Fall, dass der Hauptvertrag nicht zustande kommt. Einen ähnlichen Zweck verfolgen Vereinbarungen über eine sog. "Break-Up-Fee", die im Fall eines Scheiterns der Transaktion oder der Aufnahme von Vertragsgesprächen mit Dritten unter Verstoß gegen vertragliche Abreden fällig wird. Die Break-Up-Fee kann entweder als Kostenersatzverpflichtung (pauschal oder gegen Nachweis des konkret entstandenen Aufwands, jedoch i.d.R. der Höhe nach gedeckelt) oder als selbstständiges Vertragsstrafeversprechen ausgestaltet werden. Je nach Form des Hauptvertrages kann eine solche Verpflichtung (und damit auch der Letter of Intent) formbedürftig sein, wenn aufgrund der Höhe der Aufwandsentschädigung gleichsam ein Zwang zum Abschluss des Hauptvertrags begründet wird.
Rz. 44
Häufig liegen beim Abschluss eines Letter of Intent bereits die Voraussetzungen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses vor (§ 311 Abs. 2 BGB), das beiden Parteien wechselseitig bestimmte Verpflichtungen (z.B. Vertraulichkeit, Aufklärungspflichten etc.) auferlegt. Deren Verletzung verpflichtet i.d.R. zum Ersatz des entstandenen Vertrauensschadens (negatives Interesse). Der Letter of Intent bietet den Parteien jedoch die Möglichkeit, das gesetzliche Haftungssystem, insb. im Hinblick auf derartige Ansprüche individualvertraglich zu modifizieren.
Rz. 45
Checkliste: Typische Punkte eines Letter of Intent
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Durchführung und Umfang der Due Diligence |
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Bestimmung des Kaufgegenstandes und Umschreibung der geplanten Transaktion (einschließlich der Transaktionsdokumente und deren Inhalt) |
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Kaufpreis und/oder dessen Berechnungsgrundlagen bzw. Berechnungsmethode |
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Zeitplan für das weitere Vorgehen |
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Kostentragungsregelung/ "Break-Up-Fee" |
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Haftungsausschluss |
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