Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 62
Entgegen einer (auch unter Praktikern) weit verbreiteten Auffassung ist die Durchführung einer Due Diligence durchaus von beträchtlicher rechtlicher Relevanz.
Für die Beteiligten (Käufer und Verkäufer) erfüllt die Vorbereitung und Durchführung der Due Diligence unterschiedliche, teils gegenläufige rechtliche Funktionen. Die Due Diligence ist zum einen eine Möglichkeit für den Verkäufer, den ihm obliegenden Aufklärungspflichten ggü. dem Käufer Genüge zu tun. Denn der Verkäufer hat nach der Rspr. den Interessenten ungefragt über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Diese vorvertraglichen Aufklärungspflichten wurden beim Unternehmenskauf vom BGH zunehmend ausgeweitet. Kommt der Verkäufer diesen Pflichten nicht nach, so kann der Käufer u.a. nach dem Grundsatz der culpa in contrahendo Schadensersatz verlangen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB); ggf. kann auch der Tatbestand einer zur Anfechtung berechtigenden arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) vorliegen. Dabei ist zu beachten, dass die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Verkäufers durch Offenlegung in einem (virtuellen) Datenraum die räumlich, zeitlich und inhaltlich angemessene Form voraussetzt; nicht evidente Mängel erfordern spezifische Hinweise des Verkäufers.
Rz. 63
Relevant ist die Due Diligence aber auch für die Kenntnis des Käufers von Mängeln des Zielunternehmens. Denn Umstände, die dem Käufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der vorangegangenen Unternehmensprüfung ganz oder teilweise bekannt sind, können – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – Gewährleistungsansprüche ganz oder teilweise ausschließen (§ 442 Abs. 1 BGB).
Hinweis
Gelingt es dem Käufer nicht, bei den Vertragsverhandlungen den für ihn ungünstigen § 442 Abs. 1 BGB abzubedingen, ist weiter zu bedenken, welche Personen neben den Organen der Gesellschaft, deren Wissen von Gesetzes wegen zugerechnet wird, jeweils als Wissensträger zu qualifizieren sind, mit der Folge, dass das von Ihnen i.R.d. Prüfung erlangte Wissen dem Käufer zuzurechnen ist.
Rz. 64
In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob – entsprechend dem im Common Law geltenden Grundsatz "caveat emptor" – die Durchführung einer Due Diligence des zu erwerbenden Unternehmens (mittlerweile) der Verkehrssitte entspricht mit der Folge, dass eine unterlassene Prüfung als grobe Fahrlässigkeit einzustufen wäre, was einen Ausschluss der Verkäuferhaftung nach § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge hätte. Die überwiegende Ansicht in der Lit. verneint jedoch das Bestehen einer solchen Verkehrssitte. Soweit jedoch nicht ausreichende, gesicherte Erkenntnisse über das zu erwerbende Unternehmen vorhanden sind oder vorhandene Informationen Unklarheiten aufweisen, kann nach dem OLG Oldenburg im Einzelfall eine Pflicht zur Durchführung einer Unternehmensprüfung bestehen. Wird diese unterlassen, kommt bei einer zu erheblichen Verlusten führenden Fehlinvestition eine Geschäftsführerhaftung in Betracht.
Im Ergebnis dürfte die Diskussion ohnehin eher theoretischer Natur sein, da es – Verkehrssitte hin oder her – so gut wie keinen Unternehmenskauf mehr gibt, bei dem der Käufer nicht zumindest die wirtschaftlichen Kerndaten abfragt, die er zur Ermittlung des Kaufpreises (Financial Due Diligence) benötigt.
Schließlich können die Organe des erwerbenden Unternehmens durch eine sorgfältig durchgeführte Unternehmensprüfung ihren gesetzlichen Sorgfaltspflichten nachkommen. Denn aus § 93 Abs. 1 AktG folgt u.a., dass jede Vorstandsentscheidung einer angemessenen Informationsgrundlage bedarf, die eine entsprechende Informationsbeschaffung z.B. im Rahmen einer Due Diligence, voraussetzt. Allerdings lässt sich daraus wohl keine absolute Verpflichtung zur Durchführung einer Due Diligence ableiten. Für den Geschäftsführer einer GmbH ergibt sich eine entsprechende Prüfungsverpflichtung aus § 43 Abs. 1 GmbHG.
Rz. 65
Die größte und eigentliche Bedeutung der Due Diligence dürfte jedoch im Bereich der Vertragsgestaltung liegen. Der Käufer kann den von ihm bereits erkannten oder auch nur vermuteten Risiken durch eine entsprechende Gestaltung einzelner Klauseln, insb. der Gewährleistungsregelungen, begegnen. Denn die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche des BGB sind für den Unternehmenskauf i.d.R. ungenügend.
Rz. 66
Schließlich kann die Due Diligence auch Material für die Unternehmensbewertung und Argumente bei den Kaufpreisverhandlungen bieten. Nicht selten führt eine Due Diligence aber auch dazu, dass der Interessent von weiteren Verhandlungen Abstand nimmt, weil ihm die Transaktion wegen der aufgedeckten Risiken wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheint.