Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 126
Der Käufer, der bei der Due Diligence anhand der vom Verkäufer bereitgestellten Dokumente oder Informationen bestimmte und allgemeine Risiken beim Zielunternehmen identifiziert hat, wird bestrebt sein, soweit sie nicht bereits vor Unterzeichnung in einer Anpassung des ursprünglich angebotenen Kaufpreises nach unten Niederschlag gefunden haben, diese durch entsprechende Garantien oder Freistellungen im Unternehmenskaufvertrag reflektiert zu sehen. Demgegenüber wird der Verkäufer darauf bestehen, für den Käufer offengelegte Umstände und Risiken nicht haften zu müssen.
Rz. 127
Vor diesem Spannungsfeld ist das Thema der Offenlegung angesiedelt:
Üblicherweise erfolgt im Unternehmenskaufvertrag eine Offenlegung in Anlagen zu den jeweiligen Garantien und konkretisiert diese entweder oder schränkt sie im Umfang der offengelegten Umstände ein (Disclosure Schedules). Die (zeitlich, räumlich und inhaltlich angemessene) Offenlegung in Anlagen kann daneben auch der Erfüllung von Aufklärungspflichten des Verkäufers dienen. Der Verkäufer wird oft darauf bestehen, die gesamten, d.h. nicht nur im Vertrag, sondern auch aus der Due Diligence und ggf. weiteren mündlichen Informationen offengelegten Umstände gegen die Garantien "laufen zu lassen", d.h. diese Umstände können schon nicht mehr den Tatbestand einer Garantie erfüllen. Dies geschieht durch Bezugnahme auf den Datenraum bzw. diesbezügliche Datenraumlisten; üblicherweise wird der gesamte (virtuelle) Datenraum für die Laufzeit potenzieller Ansprüche versiegelt, bei dem beurkundenden Notar hinterlegt oder die Dokumente auf einem Datenträger gespeichert und ebenfalls bei dem Notar oder einem anderen Treuhänder hinterlegt.
Der Käufer wird sich hingegen schon allein wegen der Datenmenge nicht auf eine Offenlegung über den Vertrag (bzw. dessen Anlagen) hinaus einlassen wollen. Vielmehr wird er auch bei einer vertraglichen Offenlegung immer darauf bedacht sein, nur genau bestimmte und gemeinsam sowie abschließend festgelegte Dokumente gegen die Garantien gelten zu lassen und in solchen Dokumenten offengelegte Tatsachen in ihrer Wirkung nur gegen einzelne Garantietatbestände wirken zu lassen (sog. spezifische Offenlegung). Eine generelle Bezugnahme offengelegter Tatsachen auf alle Garantien sollte aus Sicht des Käufers hingegen ausgeschlossen werden. Weiter wird der Käufer auch auf den Ausschluss von Tatsachen, auf die aus den offengelegten Sachverhalten geschlossen werden kann, von versteckten Offenlegungen (Hidden Disclosures) sowie allgemeinen Aussagen ohne Tatsachencharakter, insb. Prognosen oder Einschätzungen und Bewertungen des Verkäufers oder Dritter bedacht sein.
Rz. 128
Nach dem vermittelnden Ansatz der sog. Fair Disclosure, kann vertraglich festgehalten werden, dass alle Offenlegungen im (virtuellen) Datenraum als dem Käufer bekannt gelten, die diesem in einer Weise zugänglich gemacht wurden, dass ein professionell beratener oder erfahrener Käufer den Garantieverstoß erkennt oder sich der zugrundeliegenden Tatsachen bewusst ist.
Hinweis
In der Praxis unterschätzen die Parteien regelmäßig den Aufwand, der mit der Erstellung der Anlagen zum Unternehmenskaufvertrag verbunden ist. Wegen der nicht unerheblichen Folgen einer Offenlegung erfordert dies nämlich beträchtlichen Abstimmungsbedarf. Nicht selten tauchen dabei in buchstäblich letzter Minute für den Käufer bis dato unbekannte Dokumente oder Informationen auf, die der Verkäufer im Vertrag offenlegen will, deren Auswirkungen aber für den Käufer zu diesem Zeitpunkt nicht abzuschätzen sind.