Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 53
Der den potenziellen Erwerber beratende Rechtsanwalt sollte sich einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Verhältnisse der Zielgesellschaft verschaffen. Dementsprechend sollten beim Verkäufer (auch im Interesse der eigenen Haftung) umfassend Informationen abgefragt werden. Dies geschieht durch Anforderungslisten (Due Diligence Checklists oder Information Request Lists), die der Interessent dem Veräußerer im Vorfeld zukommen lässt und aus denen hervorgeht, zu welchen Themenbereichen der Interessent Informationen bzw. Dokumentationen erwartet.
Hinweis
Die umfassende Abfrage von Informationen beim Verkäufer bzw. beim Zielunternehmen dient nicht nur der Informationsgewinnung, sondern ist auch von haftungsrechtlicher Relevanz. Stellt sich nämlich später heraus, dass der Verkäufer bestimmte Umstände trotz (nachweislicher) Nachfrage seitens des Käufers nicht offengelegt hat, kann darin eine arglistige Täuschung des Käufers durch den Verkäufer begründet sein, die den Käufer, stets, auch bei einem umfassenden Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung bzw. Haftung, zur Anfechtung des Kaufvertrages auch nach Gefahrübergang (§ 123 BGB) bzw. zur Geltendmachung von Schadensersatz (§ 826 BGB) berechtigt. Im Interesse einer später ggf. erforderlichen Beweisführung sollten der Käufer und seine Berater darauf bestehen, dass Auskünfte stets schriftlich erteilt bzw. nachträglich schriftlich bestätigt werden.
Rz. 54
Darüber hinaus ist bei der Anforderung von Informationen besonders auf die Art der geplanten Transaktion, die Eigenheiten des jeweiligen Zielunternehmens und der jeweiligen Branche zu achten.
Hinweis
Um unnötige "Doppelabfragen" zu vermeiden, sollten darüber hinaus sämtliche Berater und auch Mitarbeiter des potenziellen Erwerbers, die mit der Informationsbeschaffung beauftragt sind, ihre Anforderungslisten vor Versand an den Verkäufer abgleichen bzw. konsolidieren; soweit möglich, sollte der Übersichtlichkeit halber eine gemeinsame Liste mit verschiedenen "Abteilungen" für die verschiedenen Fachbereiche erstellt werden (z.B. I. Tax, II. Legal etc.), um Überschneidungen zu vermeiden.
So ist beim Share Deal besonderes Augenmerk auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Zielunternehmens zu richten (Historie der Gesellschaftsanteile, Gesellschafterbeschlüsse, Kapitalmaßnahmen etc.). Beim Asset Deal hingegen stehen die rechtlichen Überprüfungen der zu übernehmenden Wirtschaftsgüter (Rechtsinhaberschaft, Übertragbarkeit etc.), aber auch die weiteren gesetzlichen Haftungsfolgen der geplanten Transaktion (insbesondere Betriebsübergang gem. § 613a BGB, Firmenfortführungshaftung nach § 25 HGB, § 75 AO) im Vordergrund.
Rz. 55
Hinweis
Im Eingang der Anforderungsliste sollte zunächst festgehalten werden, welche Informationen/Dokumente (z.B. schriftliche wie auch mündliche Vereinbarungen) durch wen (z.B. bearbeitende Kanzlei) zu welchem Zweck ("Erwerb von Geschäftsanteilen/Wirtschaftsgütern der X-GmbH") und in Bezug auf welche Gesellschaft bzw. Gesellschaften jeweils abgefragt werden. Des Weiteren sollte – soweit nicht durch entsprechende Unterlagen belegbar (z.B. Gesellschaftsvertrag), auf die jeweils in der Liste durch den Bearbeiter schriftlich zu verweisen ist – auf eine schriftliche Aussage zu den betreffenden Sachverhalten bestanden werden, die auch eine "Fehlanzeige" sein kann, wenn der entsprechende Sachverhalt nicht einschlägig ist. Dadurch wird i.S.d. Käufers dokumentiert, ob und inwieweit der Verkäufer seinen Aufklärungspflichten tatsächlich nachgekommen ist. Soweit z.B. der Verkäufer trotz ausdrücklicher Nachfrage in der Anforderungsliste bestimmte Tatsachen verschweigt bzw. als "Fehlanzeige" kenntlich macht, kann auch der Tatbestand einer zur Anfechtung des Unternehmenskaufvertrages berechtigenden arglistigen Täuschung (§ 123 BGB) vorliegen.
Rz. 56
Da eine Due Diligence typischerweise erst nach Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen den Parteien stattfindet, sollten sich die Parteien frühzeitig über Form und Inhalt einer solchen Vereinbarung verständigen.
Rz. 57
Bei einem Auktionsverfahren wird der Interessent (i.d.R. nach Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung) auch ein von den M&A-Beratern des Verkäufers erstelltes Informationsmemorandum mit Kennzahlen des Unternehmens und anderen für die Kaufentscheidung erheblichen Informationen erhalten.