Rz. 8
Praxistipp
Die Prüfung der Verfahrenszuständigkeit des angerufenen Familiengerichts ist Aufgabe des erkennenden Gerichts. Freilich ist der Rechtsanwalt gehalten, den Antrag an das für das Verfahren zuständige Gericht zu stellen.
Rz. 9
Ob ein Verfahren eine Familiensache im Sinne der §§ 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GVG, 111 FamFG ist, richtet sich nach dem Verfahrensgegenstand, der nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt wird. Häufig wird die Ansicht vertreten, im Rahmen dieser Prüfung der Verfahrenszuständigkeit der Familiengerichte seien Beurteilungsgrundlage für die Qualifizierung als Familiensache sowie die Zuordnung zu den einzelnen Verfahrensgegenständen des § 111 FamFG die Tatsachen, die der Antragsteller zur Begründung seines Begehrens vortrage. Es komme weder auf die rechtliche Einordnung des Begehrens durch den Antragsteller an noch darauf, ob das Begehren des Antragstellers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründet sei. Auch auf das Vorbringen des Antragsgegners komme es nicht an, dieses sei für die Qualifikation als Familiensache unerheblich. Demgegenüber ist Wever der Ansicht, es sei nicht allein die Begründung des Antragstellers maßgebend, sondern auch das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners. Nach zutreffender Ansicht, die nunmehr insbesondere auch der BGH vertritt, ist zu differenzieren:
Hinweis
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Richtet sich die Verfahrenszuständigkeit nach der Rechtsnatur des materiellen Rechts oder des materiellrechtlichen Anspruchs, so sind der Antrag und die zu seiner Begründung vorgetragenen Behauptungen maßgebend, da die Prüfung der Verfahrenszuständigkeit mit der Prüfung der Begründetheit des Antrags zusammenfällt, so genannte "doppelrelevante Tatsachen". Ein Beweis der Behauptungen des Antragstellers ist, selbst wenn die Behauptungen bestritten sind, zur Prüfung der Zuständigkeit nicht erforderlich, da der Richter zur Entscheidung über das behauptete Recht oder den behaupteten Anspruch jedenfalls berufen ist. Doppelrelevante Tatsachen werden für die Begründung der Zuständigkeit allgemein und mithin auch der Verfahrenszuständigkeit als wahr unterstellt. |
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Richtet sich die Verfahrenszuständigkeit demgegenüber nicht nach der Rechtsnatur des Rechts oder Anspruchs, sondern ergibt sich die Zuständigkeit für ein Recht oder einen Anspruch nur aus einer besonderen Beziehung zu dem Gericht oder seinem Bezirk, die außerhalb der anspruchsbegründenden Tatsachen liegt, so ist auch der Sachvortrag des Antragsgegners zu berücksichtigen, im Streitfalle bedürfen die erheblichen Tatsachen des Beweises. Die Beweislast für diese kompetenzbegründenden Tatsachen trägt der Antragsteller. |
Rz. 10
Ob sich die Verfahrenszuständigkeit allein nach dem Vortrag des Antragstellers richtet oder, ob auch der Vortrag des Antragsgegners zu berücksichtigen ist, lässt sich mithin nicht allgemein beantworten, sondern hängt vielmehr davon ab, ob sich die Verfahrenszuständigkeit nach der Rechtsnatur des Rechts oder Anspruchs richtet (sogenannte doppelrelevante Tatsachen) oder nicht. Die Frage wird bei dem jeweiligen Recht oder Anspruch (siehe unten Rn 192, 195) beantwortet.