Rz. 147
§ 203 BGB lautet:
Zitat
Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.
Rz. 148
Damit soll verhindert werden, dass u.U. sofort nach Ende der Verhandlungen schon Verjährung eintritt. Die frühere Rechtsprechung zum Begriff "Verhandeln" kann vollständig übernommen werden (BGH NZV 2001, 188 = zfs 2001, 248; vgl. Jahnke, Abfindung von Personenschadenansprüchen, 3. Auflage 2018 § 5 Rn 492). Der Begriff des Verhandelns ist weit zu verstehen. Es genügt jeder Meinungsaustausch, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird (BGH v. 8.5.2001 – VI ZR 208/00 – VersR 2001, 1522; BGH zfs 2001, 351; 1991, 190). Das Signalisieren einer Vergleichsbereitschaft oder eines Entgegenkommens ist nicht erforderlich (BGH NZV 2001, 258 = zfs 2001, 248).
Rz. 149
Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Verpflichtete Erklärungen abgibt, die den Geschädigten zu der Annahme berechtigen, der Verpflichtete lasse sich jedenfalls auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (BGH VersR 2001, 1255). Es genügt auch schon, wenn z.B. der Schädiger in einem Schreiben zum Ausdruck bringt, dass er nach Durchführung von Ermittlungen noch einmal verhandeln wolle. Es reicht dann das Aufrechterhalten der Gesprächsbereitschaft aus. Wird allerdings jeglicher Schadensersatz verweigert, so schweben keine Verhandlungen. Ebenfalls endet die Hemmung, wenn die Fortsetzung der Verhandlungen zweifelsfrei abgelehnt wird.
Rz. 150
Von Bedeutung ist, dass sich die gesetzlichen Regelungen zur Verjährung nun in § 203 BGB und nicht mehr – wie früher – im Deliktsrecht befinden. Damit gelten sie auch für vertragliche Ansprüche.
Merke
Es gilt der Grundsatz: Man ist schnell in Verhandlungen, kommt aber nur über ein ganz klares Wort wieder heraus (BGH NJW-RR 1991, 470).
Tipp
Wenn der Versicherer die Verhandlungen für endgültig beendet erachtet und die weitere Regulierung abgelehnt hat, es dem Anwalt aber gelingt, ihn wieder zu Verhandlungen zu bewegen, ist die Hemmung wieder eingetreten. Vorsicht aber bei der Berechnung der Zeiträume: Die Verjährungszeit zwischen erster Ablehnung und der Wiederaufnahme der Verhandlungen ist inzwischen weitergelaufen – Hemmung ist nicht gleich Neubeginn!
Rz. 151
Problematisch ist es, wenn der Versicherer irgendwann lediglich mitteilt, dass die "Haftung nicht anerkannt" werden könne. Von der Ablehnung der Einstandspflicht einerseits ist aber zu unterscheiden, ob damit andererseits auch die Fortsetzung von Verhandlungen klar und eindeutig verweigert wird (BGH NJW 1998, 2619 = zfs 1999, 9).
Rz. 152
Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn der Verhandlungspartner, nachdem die Parteien grundsätzlich Verhandlungen aufgenommen hatten, Ansprüche verneint. Auch solche abgebrochenen Verhandlungen können durchaus weiterlaufen, wenn bei dem Ersatzpflichtigen eine Vergleichsbereitschaft zurücktritt, er aber grundsätzlich gesprächsbereit bleibt. Das ist z.B. der Fall, wenn der Versicherer sinngemäß schreibt: "Gleichwohl betonen wir unsere Bereitschaft, die Angelegenheit nochmals zu prüfen, wenn Hinweise auf eine Haftung vorgetragen werden." Eine solche Formulierung, wie sie in den meisten Schreiben der Versicherer aus Freundlichkeitsgründen vorkommt, lässt aber gerade nicht "klar und eindeutig" erkennen, dass die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert werde. Insoweit bleibt es bei der Verjährungshemmung gem. § 203 BGB.
Rz. 153
Die Hemmung wirkt auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches zurück (OLG Hamm NZV 1998, 24 m.w.N.). Im Zweifel erstreckt sich die Hemmung auch hier (wie bei § 115 Abs. 2 S. 3 VVG) auf den gesamten Anspruch. Etwas anderes gilt nur, wenn ausdrücklich nur über einen Anspruchsteil verhandelt wird (BGH NZV 1998, 108).
Rz. 154
Für das schlichte "Einschlafen der Gespräche" ist keine gesetzliche Regelung getroffen worden. Deshalb kann und soll auf die Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. zurückgegriffen werden können. Die Hemmung entfällt dann zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Antwort des Ersatzberechtigten auf die letzte Äußerung des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre (BGH zfs 1990, 28). Der zeitliche Rahmen dürfte bei ca. sechs Wochen liegen (BGH NZV 1990, 226).
Rz. 155
Schlafen die Verhandlungen aber faktisch ein oder werden sie verschleppt, so entfällt die Hemmung, wenn aus der Sicht des Berechtigten nach Treu und Glauben ein nächster Schritt zu erwarten wäre, der dann aber nicht erfolgt (BGH NJW 1986, 1337; BGH zfs 2003, 174). Werden einmal abgebrochene Verhandlungen wieder aufgenommen, so kann eine erneute Hemmung hinsichtlich der noch nicht abgelaufenen Verjährungsfrist eintreten (BGH VersR 1985, 642).
Rz. 156
Die Verjährung tritt erst frühestens drei Monate nach dem Ende der Verhandlungen ein (§ 203 S. 2 BGB...