Rz. 22
Als weiteren Entziehungsgrund nennt § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB die rechtskräftige Verurteilung und Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe. Für die Entziehung des Pflichtteils müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: Der Pflichtteilsberechtigte muss wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sein bzw. werden. Die Strafe darf nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Für die Pflichtteilsentziehung reicht es bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift aus, dass das zur Verurteilung führende Verfahren erst nach dem Eintritt des Erbfalles rechtskräftig abgeschlossen wird. Dies ergibt sich aber ebenfalls aus § 2336 Abs. 2 BGB. Voraussetzung für eine Pflichtteilentziehung nach Nr. 4 ist nicht, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits rechtskräftig verurteilt ist; er muss zum Zeitpunkt der Entziehung die Tat aber bereits begangen haben.
Rz. 23
Weitere Voraussetzung für die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist, dass dem Erblasser infolge der vom Pflichtteilsberechtigten begangenen vorsätzlichen Straftat dessen Teilhabe am Nachlass unzumutbar ist. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Straftat den persönlichen in der Familie gelebten Wertvorstellungen des Erblassers in hohem Maße widerspricht, was nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vor allem bei schweren Straftaten, die mit erheblicher Freiheitsstrafe bedroht sind, der Fall ist. Erforderlich ist eine schwerwiegende sozialwidrige Verfehlung, die eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich gezogen hat. Auf die Anknüpfung an ein Verbrechen wurde dabei seitens des Gesetzgebers bewusst verzichtet, um vor allem auch schwere Vergehen aus dem Sexualstrafrecht zu erfassen.
Rz. 24
Für die Beurteilung der Frage, ob Unzumutbarkeit im Sinne der Vorschrift vorliegt, darf sich der Erblasser nicht an allgemeinen Wertvorstellungen orientieren, sondern muss sich auf die in der Familie konkret gelebten Werte beziehen. Ist der Erblasser also selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten oder hat er sich gar an der Straftat des Pflichtteilsberechtigten beteiligt, ist der Erblasser zur Pflichtteilsentziehung nicht berechtigt. Hat der Pflichtteilsberechtigte im Zustand der Schuldunfähigkeit eine ähnlich schwerwiegende vorsätzliche Tat begangen und wurde deshalb rechtskräftig seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt angeordnet, ist eine Entziehung seines Pflichtteils ausdrücklich auch zugelassen, sofern seine Teilhabe am Nachlass für den Erblasser unzumutbar ist.
Rz. 25
Muster 13.4: Pflichtteilsentziehung gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB
Muster 13.4: Pflichtteilsentziehung gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB
Meiner Tochter _________________________ entziehe ich hiermit den Pflichtteil. Sie ist seit mindestens zehn Jahren schwer heroinabhängig und finanziert ihren Drogenkonsum durch Prostitution und Eigentums- und Vermögensdelikte, derentwegen sie bereits mehrfach vorbestraft ist. Sie wurde durch Urt. v. _________________________ des _________________________ Gerichts in _________________________ zu einer Haftstrafe von _________________________ und durch Urt. v. _________________________ zu einer Haftstrafe von _________________________ Jahren rechtskräftig verurteilt. Die Haftstrafen wurden in beiden Fällen nicht zur Bewährung ausgesetzt. Mehrere Versuche einer Entziehungskur scheiterten, da sie schon nach wenigen Tagen von meiner Tochter grundlos abgebrochen wurden. Da sie der Prostitution in unserer Gemeinde nachgeht, werden wir von den Mitbewohnern ausgegrenzt. Unsere anderen Kinder werden in der Schule gehänselt und man zeigt mit dem Finger auf sie. Letzte Woche, am _________________________, wurden wir, meine Ehefrau und ich, nach der Kirche von Kindern sogar angespuckt. Zum Beweis: _________________________. Es ist daher für mich unzumutbar, dass meine Tochter eine Teilhabe an meinem dereinstigen Nachlass hat.