1. Form und Inhalt der Entziehung
Rz. 26
Die Pflichtteilsentziehung muss durch letztwillige Verfügung vom Erblasser persönlich erklärt werden, § 2336 BGB. Alle Testamentsformen sind insoweit zulässig. Die Entziehung kann auch in einem Erbvertrag erklärt werden. Es muss aus der Verfügung deutlich werden, dass und wem der Pflichtteil entzogen wird. Außerdem muss der Grund der Entziehung in der Verfügung so hinreichend konkret angegeben werden, dass ein Gericht nach Eintritt des Erbfalles zweifelsfrei sowohl den Entziehungsgrund als auch den der Pflichtteilsentziehung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt feststellen kann. Die Entziehung des Pflichtteils kann nur auf Gründe gestützt werden, die in der letztwilligen Verfügung enthalten sind, um so ein späteres Nachschieben von Gründen durch die Erben zu verhindern.
Rz. 27
Formgerecht ist die Entziehung erklärt, wenn in der letztwilligen Verfügung zumindest ein zutreffender "Kernsachverhalt" angegeben ist. Es reicht nicht aus, wenn der Erblasser wegen des Entziehungsgrundes lediglich auf andere, der Testamentsform nicht entsprechende Erklärungen verweist. Dies gilt selbst dann, wenn diese Schriftstücke im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits existierten.
Rz. 28
Im Rahmen der Entziehung des Pflichtteils nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist gemäß § 2336 Abs. 2 BGB zu beachten, dass in der letztwilligen Verfügung angegeben werden muss, dass und wann die für die Pflichtteilsentziehung ursächliche Tat begangen wurde. Ferner müssen die Gründe, die die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass für den Erblasser unzumutbar machen, bereits vorliegen und in der letztwilligen Verfügung angegeben werden. Die Anforderungen an die Darlegung dieser Gründe richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Grundsätzlich gilt, dass die Anforderungen insoweit abhängig sind von der Schwere der Tat. Je schwerwiegender die Tat, desto geringer die Anforderungen. Der bloße Hinweis auf die Begehung von Straftaten ohne die Beschreibung konkreter Vorgänge ist nicht ausreichend.
2. Der Pflichtteilsentziehungsgrund
Rz. 29
Der Pflichtteilsentziehungsgrund muss zur Zeit der Errichtung der Verfügung bestanden haben. Die Gründe können schon länger zurückliegen, sie dürfen jedoch nicht lediglich in der Zukunft liegen. Im Einzelnen sind der gesetzliche Tatbestand und die ihn ausfüllenden Tatsachen anzugeben.
Möglich ist aber eine Entziehung für den Fall, dass ein vom Erblasser vermuteter, aber noch nicht sicher feststehender Entziehungsgrund vorliegt. Die Entziehung kann auch von einer Bedingung abhängig gemacht oder befristet werden. Wer sich auf das Vorliegen eines Entziehungsgrundes beruft, den trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
Rz. 30
Muster 13.5: Pflichtteilsentziehung für den Fall, dass ein vom Erblasser vermuteter, aber noch nicht sicher feststehender Entziehungsgrund vorliegt
Muster 13.5: Pflichtteilsentziehung für den Fall, dass ein vom Erblasser vermuteter, aber noch nicht sicher feststehender Entziehungsgrund vorliegt
Ich unterhalte den dringenden Verdacht, dass der Mordversuch, der am _________________________ in _________________________ auf mich verübt wurde, von meinem Sohn _________________________ geplant und mit ausgeführt wurde. Sollte sich dieser Verdacht durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dieser Sache bestätigen, so entziehe ich hiermit meinem Sohn den Pflichtteil.
3. Die Verzeihung
Rz. 31
Die Pflichtteilsentziehung entfaltet ihre Wirksamkeit erst mit Eintritt des Erbfalls und führt zum Erlöschen sämtlicher Pflichtteilsansprüche des von der Entziehung Betroffenen. Das Pflichtteilsentziehungsrecht erlischt bzw. die Pflichtteilsentziehung wird unwirksam durch Verzeihung. Diese ist grundsätzlich unwiderruflich. Eine Verzeihung liegt vor, wenn der Erblasser das schwere Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten nicht mehr als unzumutbar für eine Nachlassteilhabe empfindet. Die Verzeihung kann formlos, auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Die Verzeihung setzt aber die Kenntnis vom Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten voraus. Eine Verzeihung im Sinne von § 2337 BGB liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet und hieraus nichts mehr herleiten will. Hierzu reicht in der Regel aus, wenn in dem Verhältnis des Erblassers zu dem Abkömmling ein Wandel zur Normalität im Sinne eines Wiederauflebens der familiären Beziehungen stattgefunden hat. Voraussetzung für eine Verzeihung ist weder eine Versöhnung noch ein inniges Verhältnis zwischen dem Erblasser und seinem Abkömmling.