Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 159
Dem Auskunftsverpflichteten steht die Einrede der Erfüllung zu, wenn er gegenüber dem Berechtigten bereits Auskunft erteilt hat. Dies ist dann der Fall, wenn der auskunftsverpflichtete Erbe ein vollständiges Nachlassverzeichnis vorgelegt hat und er hinsichtlich etwaiger Schenkungen die ihm zumutbaren Nachforschungen angestellt hat. Hierzu ist er verpflichtet, wenn der Verdacht besteht, dass der Erblasser in dem maßgeblichen Zeitraum unentgeltliche Zuwendungen getätigt hat.
Rz. 160
Praxishinweis
Die Schwierigkeit besteht in der Praxis darin zu beurteilen, ob eine erteilte Auskunft Erfüllungswirkung hat. Das Problem besteht darin, dass grundsätzlich auch eine unrichtige Auskunft Erfüllungswirkung haben kann. Der Gesetzgeber sieht in § 260 Abs. 2 BGB vor, dass bei Gründen, welche die Annahme rechtfertigen, dass ein Verzeichnis nicht mit der gebotenen Sorgfalt aufgestellt wurde, die eidesstattliche Versicherung abgenommen werden kann. Daher kommt ein Anspruch auf Ergänzung von Auskünften nur ausnahmsweise in Betracht. Kann der Pflichtteilsberechtigte schlüssig darlegen, dass der Erbe noch nicht vollständig Auskunft über den Nachlassbestand gegeben hat, ist der Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Einer ersichtlich unvollständigen Auskunft kommt mithin keine Erfüllungswirkung zu. Der BGH bestätigt zudem den Anspruch auf Ergänzung eines notariellen Nachlassverzeichnisses – als Ausnahme zu § 62 Abs. 2 BGB – für den Fall, dass das Nachlassverzeichnis keine umfassenden Angaben über die Geschäftsbeziehung des Erblassers zu Kreditinstituten enthält. Weiter wird ein Anspruch auf Ergänzung bei notariellen Nachlassverzeichnissen für den Fall zuerkannt, dass sich ein Notar auf die bloße Wiedergabe der Angaben des Erben beschränkt, ohne eigene Ermittlungen zu führen.
Rz. 161
Die Frage, ob ein Pflichtteilsberechtigter einen Anspruch auf ergänzende Auskunft über den Nachlassbestand hat, ist von der weiteren Frage zu unterscheiden, ob er bei einem schon vorliegenden Titel auf umfassende Auskunftserteilung noch einmal auf ergänzende Auskunftserteilung über konkret benannte Nachlassbestandteile klagen kann. Eine solche Klage ist unzulässig. Der Auskunftspflichtige ist auf den Vollstreckungsweg zu verweisen. Im Rahmen der Vollstreckung kann der Auskunftsschuldner verpflichtet werden, bei entsprechenden Verdachtsmomenten bspw. seinen Auskunftsanspruch gegenüber Banken geltend zu machen, Kontounterlagen einzusehen und hinsichtlich etwaiger Verfügungen des Erblassers zu ermitteln. Auf das Angebot zur Abtretung des Auskunftsanspruchs gegenüber dem Kreditinstitut braucht sich der Gläubiger nicht einzulassen.
Rz. 162
Ferner richtet sich die Frage nach dem Bestehen der Einrede der Erfüllung danach, welchen konkreten Auskunftsanspruch der Berechtigte geltend gemacht hat. Hat der Pflichtteilsberechtigte z.B. seine Hinzuziehung bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses gefordert, so liegt keine Erfüllung vor, wenn der Erbe dies ignoriert und das Nachlassverzeichnis ohne Hinzuziehung des Pflichtteilsberechtigten erstellt hat. Dem Pflichtteilsberechtigten steht dann ein Recht auf eine erneute Erstellung des Nachlassverzeichnisses in seinem Beisein zu.
Rz. 163
Nach Auffassung des OLG Schleswig darf der Erbe gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht nur – wie anerkannt – die Einholung eines Wertgutachtens i.S.d. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern auch die von ihm nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB verlangte Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden ist.
Rz. 164
Praxishinweis
Nach der Rechtsprechung genügt ein notarielles Nachlassverzeichnis den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB nur dann, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst und eigenständig – wenn auch zunächst ausgehend von Angaben des Auskunftspflichtigen – ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein.