Entscheidungsstichwort (Thema)
Notarielles Nachlassverzeichnis trotz vorausgegangener eidesstattlicher Versicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße Beurkundung von Erklärungen des Auskunftspflichtigen ist etwas anderes als ein notarielles Nachlassverzeichnis. Ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt gemessen an den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB nur dann vor, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst und eigenständig - wenn auch zunächst ausgehend von den Angaben des Auskunftspflichtigen - ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein.
2. Das Verlangen des Klägers nach einem derartigen notariellen Nachlassverzeichnis ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte bereits ein notariell protokolliertes Nachlassverzeichnis vorgelegt und dessen Richtigkeit an Eides statt versichert hat.
Normenkette
BGB § 2314 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 01.03.2010; Aktenzeichen 6 O 105/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 1.3.2010 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck, Aktenzeichen 6 O 105/10, geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den Bestand des Nachlasses des am 21.4.2008 in Lübeck verstorbenen durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses Auskunft zu erteilen, das im Einzelnen, unter Angabe der genauen Bezeichnung sowie aller wertbildenden Faktoren der betreffenden Gegenstände und Forderungen sowie im Falle des Unternehmens beziehungsweise der Unternehmensbeteiligung zusätzlich unter Vorlage der entsprechenden Belege, umfasst:
a. alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen,
b. alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten,
c. alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen gemäß der §§ 2050 ff. BGB, die der Erblasser zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat,
d. alle gem. § 2325 BGB ergänzungspflichtigen Schenkungen einschließlich gemischter Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Todesfall an die Erben oder Dritte getätigt hat.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Die Kostenentscheidung I. Instanz bleibt dem dortigen Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht im Wege einer Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten geltend. In der ersten Stufe hat er zunächst beantragt, dass der Beklagte zu Protokoll an Eides statt versichere, dass das von ihm am 28.8.2008 vor dem Notarvertreter ... abgegebene Nachlassverzeichnis nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses des am 21.4.2008 in Lübeck verstorbenen Vaters ... vollständig angebe. Dieser Anspruch des Klägers ist durch das Teil-Versäumnisurteil des LG Lübeck vom 20.5.2009 rechtskräftig tituliert worden (Bl. 70 f. d.A.). Die Versicherung an Eides statt hat der Beklagte am 29.10.2009 vor dem AG - Vollstreckungsgericht - Bad Segeberg abgegeben (Bl. 124i d.A.). Mit Schriftsatz vom 9.12.2009 hat der Kläger seine Klage erweitert und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft über den Nachlassbestand durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen (Bl. 105 d.A.).
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils unter Einbeziehung sämtlicher dortiger Bezugnahmen verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger, jedenfalls nachdem er am 29.10.2009 vor dem AG - Vollstreckungsgericht - Bad Segeberg an Eides statt versichert habe, dass das von ihm am 28.7.2008 vor dem Notarvertreter ... abgegebene Nachlassverzeichnis nach seinem besten Wissen den Bestand des Nachlasses des am 21.4.2008 in Lübeck verstorbenen Erblassers so vollständig angebe, als er dazu imstande sei, keinen Anspruch mehr gegen den Beklagten auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB habe. Der Pflichtteilsberechtigte könne zwar die in § 2314 Abs. 1 BGB vorgesehenen Auskunftsansprüche neben- oder nacheinander geltend machen und brauche sich nicht auf das Verfahren zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweisen zu lassen. Das Auskunftsverlangen des Klägers sei jedoch rechtsmissbräuchlich. Davon sei im Regelfall auszugehen, wenn der Erbe, der zunächst ein amtliches Verzeichnis erstellt habe, dann noch auf ein privates Verzeichnis in Anspruch genommen werde. Diese Konstellation lasse sich auch auf den vorliegenden Fall übertragen: Der Beklagte habe an Eides statt - und damit nach § 156 StGB strafbewehrt - versichert, dass das von ihm angegebene Nachlassverzeichnis nach seinem besten Wissen den Bestand des Nachlasses des Erblassers so vollständig angebe, als er dazu imstande sei. Durch die Strafbarkeit einer falschen Versicherung an Eides statt werde die Richti...