Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 222
Im Rahmen der Stufenklage kann der Pflichtteilsberechtigte die Reihenfolge und Zusammensetzung der Stufe der jeweiligen Hilfsansprüche je nach Notwendigkeit selbst bestimmen. Hat der Pflichtteilsberechtigte seitens des Erben keine Informationen erhalten, bietet es sich an, in der ersten Stufe die Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen (§ 2314 BGB), in der zweiten Stufe den Anspruch auf Wertermittlung geltend zu machen, in der dritten Stufe die Abgabe der Versicherung an Eides statt (§ 260 Abs. 2 BGB) und in einer vierten Stufe letztlich den Zahlungsanspruch, der sich aus dem ermittelten Nachlasswert und der dem Kläger zustehenden Pflichtteilsquote ergibt. Je nach Sachlage und Einzelfall sollte aber genau überlegt werden, ob der pflichtteilsberechtigte Kläger tatsächlich auf jeden Hilfsanspruch und somit auf alle Stufen der Klage angewiesen ist.
Rz. 223
Praxishinweis
Wenn der Erbe das Pflichtteilsrecht des Klägers bestreitet, kann eine gerichtliche Klärung dieser Vorfrage im Wege der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zusammen mit der Stufenklage auf erster Stufe beantragt werden.
Rz. 224
Der Pflichtteilsberechtigte hat ferner die Möglichkeit, den Leistungsanspruch in Höhe eines Mindestanspruchs bereits zu beziffern. Dies führt nicht dazu, dass keine Stufenklage mehr vorliegt. Der Kläger hat dann vielmehr bis zur Verhandlung über den Leistungsantrag die Möglichkeit, diesen anzupassen. Er ist an den vorläufig bezifferten Antrag nicht gebunden.
Rz. 225
Ferner steht dem Pflichtteilsberechtigten, wenn er bereits fundierte Kenntnisse über den Umfang des Nachlasses und den Wert der Nachlassgegenstände hat, die Möglichkeit zu, eine Teilklage auf den Mindestwert des Pflichtteils zu erheben und diesen letztlich mit einer Stufenklage bezüglich des restlichen Teils zu verbinden (vgl. Rdn 249). Empfehlenswert ist diese Vorgehensweise allerdings nur hinsichtlich des unstreitigen Teils eines Pflichtteilsanspruchs.
Rz. 226
Muster in Ihr Textverarbeitungsprogramm übernehmen
Muster 13.6: Stufenklageantrag auf Auskunft, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung und Zahlung
An das Landgericht _________________________
Klage
des _________________________, wohnhaft in _________________________
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
gegen
_________________________, wohnhaft in _________________________
– Beklagter –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
wegen Auskunft, Wertermittlung, eidesstattlicher Versicherung und Pflichtteilszahlung
Vorläufiger Streitwert: _________________________ EUR
Namens und in Vollmacht des von uns vertretenen Klägers erheben wir Klage und werden im Termin zur mündlichen Verhandlung was folgt beantragen:
1. |
Der Beklagte wird verurteilt, durch Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB, dem Kläger Auskunft über den Bestand des realen und fiktiven Nachlasses des am _________________________ verstobenen _________________________ zum Zeitpunkt seines Todes zu erteilen, und zwar in privatschriftlicher Form gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Verzeichnis muss insbesondere sämtliche bei dem Erbfall vorhandenen Immobilien, Sachen, Gesellschaftsbeteiligungen, Forderungen (auch im Zusammenhang mit erteilten Vollmachten), Vermögenswerte im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass, Gegenstände, die der Erblasser in Besitz hatte, und Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden) enthalten, und zwar unabhängig von der internationalen Belegenheit der Aktiv- und Passivpositionen und unabhängig von ihrem materiellen Wert. Es sind alle lebzeitigen unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von 10 Jahren vor dessen Todestag anzugeben (§ 2325 BGB), also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen, unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten, Erlass von Forderungen (§ 397 BGB), Lebensversicherungen und sonstige Verträge zugunsten Dritter, und zwar stets unter Benennung des Datums des Zuwendungsvollzugs sowie der vertraglichen Grundlagen. Diese Angaben sind unabhängig von einer Frist zu erteilen, wenn der Erblasser
▪ |
sich Nutzungsrechte wie einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten hat, |
▪ |
Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart hat, |
▪ |
seinen Ehegatten begünstigt hat oder |
▪ |
den Gegenstand tatsächlich nutzte. |
Ebenfalls sind unabhängig von einer Frist sämtliche gem. §§ 2050 ff. BGB ausgleichungspflichtigen Zuwendungen (Ausstattungen; Zuschüsse zur Verwendung als Einkünfte und zur Ausbildung; bei Bestimmung der Anordnung der Ausgleichung auf den Erbteil, so auch bei vorweggenommener Erbfolge) an Abkömmlinge mitzuteilen. Der Beklagte hat auch Auskunft zu erteilen,
▪ |
über den ehelichen Güterstand des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, ggf. unter Beifügung einer Kopie des notariellen Ehevertrages, und |
▪ |
über erklärte Erbverzichte möglicher gesetzlicher Erben, ggf. unter Beifügung von Vertragsurkunden. |
|
2. |
Der Beklagte wird verurteilt, d... |