Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Allgemeines
Rz. 360
Nach § 2331a BGB kann der Erbe die Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs wegen der Art der Nachlassgegenstände für ihn eine unbillige Härte wäre. Jeder Erbe kann den Stundungsantrag stellen. Nach § 2331a Abs. 2 BGB sind die Interessen des Pflichtteilsberechtigten lediglich angemessen zu berücksichtigen.
Rz. 361
Ob eine unbillige Härte vorliegt, ist je nach Einzelfall zu entscheiden. Nach der exemplarischen Aufzählung des § 2331a BGB kann dies der Fall sein, wenn der Erbe ansonsten zur Veräußerung des Familienwohnheims oder eines Wirtschaftsgutes gezwungen wäre, das für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet.
Rz. 362
Der Stundungsmöglichkeit unterliegt der ordentliche Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB und der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325 ff. BGB, soweit sich dieser gegen den pflichtteilsberechtigten Erben richtet. Gegen den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB, sei es, dass der Erbe oder der Beschenkte hierfür haftet, kann die Einrede des § 2331a BGB nicht erhoben werden.
II. Voraussetzungen
Rz. 363
Die Voraussetzungen der Stundung liegen z.B. vor, wenn die Pflichtteilslast den Verpflichteten zur Aufgabe seiner Familienwohnung oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet (§ 2331a Abs. 1 BGB). Den Schuldner des Pflichtteilsanspruchs muss daher eine unbillige Härte treffen, wenn er gerade solche in § 2331a Abs. 1 BGB genannte Nachlassgegenstände veräußern müsste, um den Pflichtteilsanspruch erfüllen zu können. Durch eine solche Veräußerung muss die Gefahr bestehen, dass die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Familie des Pflichtteilsschuldners entzogen wird.
Rz. 364
So genügt es z.B. nicht, wenn der Erbe Kunstgegenstände oder Familienerbstücke veräußern müsste, die schon seit langem in Familienbesitz sind und die nicht unmittelbar die wirtschaftliche Grundlage seiner Existenz bilden. Ebenso wenig stellt auch ein ungünstiger Aktienkurs einen Stundungsgrund i.S.d. § 2331a BGB dar.
Rz. 365
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Stundung vorliegen, ist daher je nach Einzelfall genau zu prüfen. Dabei sind nach der Neureglung des § 2331a Abs. 1 S. 2 BGB die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen. Hier fallen sicherlich die Vermögensverhältnisse und das Einkommen des Pflichtteilsgläubigers und die Existenz seiner Familie ebenso ins Gewicht wie die des Pflichtteilsschuldners. Dies kann letztlich auch auf die Dauer der Stundung Einfluss haben und/oder zu dem Ergebnis führen, dass eine Stundung nur hinsichtlich eines Teilbetrages gerechtfertigt ist.
III. Rechtsfolgen und Verfahren der Stundung
Rz. 366
Liegen die Voraussetzungen des § 2331a BGB ganz oder teilweise vor, so führt dies dazu, dass die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs hinausgeschoben wird. Mangels Zahlungsverzugs entstehen mit angeordneter Stundung auch keine Verzugszinsen. Fraglich ist, ob die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bei Vorliegen der Stundungsvoraussetzungen nach § 2331a BGB durch § 205 BGB gehemmt ist, da dem reinen Wortlaut nach eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger vorliegen muss. § 205 BGB betrifft daher lediglich die vertraglich vereinbarte Stundung.
Rz. 367
Da es dem Pflichtteilsgläubiger jedoch nicht zugemutet werden kann, dass er bei Anordnung einer solchen gesetzlichen Stundungsvorschrift durch das Gericht Gefahr läuft, dass sein Pflichtteilsanspruch verjährt, obwohl er ihn trotz Hinausschiebens der Fälligkeit nicht geltend machen kann, scheint es sich hier wohl eher um ein Redaktionsversehen zu handeln, so dass auch im Falle des § 2331a BGB eine Hemmung nach § 205 BGB zu bejahen ist. So geht auch Ellenberger davon aus, dass es zu einer analogen Anwendung des § 205 BGB kommt, wenn das Hindernis zwar keinem Stillhalteabkommen zwischen Schuldner und Gläubiger entspricht, von seiner Wirkung her aber einem vereinbarten Leistungsverweigerungsrecht gleichkommt.
Rz. 368
Praxishinweis
In der Praxis werden die Voraussetzungen des § 2331a BGB i.d.R. nur selten vorliegen. Wie v. Olshausen zu Recht darauf hinweist, kann das Stundungsbegehren aus taktischer Sicht große Vorteile mit sich bringen. Es erhöht nicht nur die Vergleichsbereitschaft beider Parteien, sondern gibt dem Pflichtteilsschuldner die Möglichkeit, anstelle eines kostspieligen Prozesses lieber eine Hinauszögerung der Zahlungsverpflichtung zu erreichen.
Rz. 369
In der Praxis stellt man fest, dass die Nachlassgerichte in den seltensten Fällen ein Stundungsverfahren bereits von vornherein zurückweisen. Es wird vielmehr versucht, eine gütliche Einigung unter den Parteien herbeizuführen. Dies allein führt schon zwan...