Rz. 17
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den Jahren 2007–2010 mehrfach mit den rechtlichen Voraussetzungen der polizeilichen Anordnung der Entnahme einer Blutprobe und eines möglichen Beweisverwertungsverbotes befasst. Hierbei ging es um die Frage der Zulässigkeit einer Eilanordnung von Blutentnahmen durch Strafverfolgungsbehörden bei "Gefahr im Verzug" gem. § 81a Abs. 2 StPO a.F. Herausgearbeitet wurde, dass die Ermittlungsbehörden sich wegen des in dieser Norm seinerzeit vorgesehenen Richtervorbehalts vor einer eigenen Anordnung einer Blutprobe darum bemühen müssen, eine Entscheidung des zuständigen Ermittlungsrichters oder, wenn dies nicht möglich ist, zumindest des zuständigen Staatsanwalt zu erreichen und dass diese Unternehmungen in der Akte zu dokumentieren sind. Dabei unterlag das entsprechende Vorgehen der Ermittlungsbehörden der umfassenden nachträglichen Rechtskontrolle durch die befassten Gerichte.
Rz. 18
Allerdings entsprach es gefestigter Rechtsprechung, dass die Verletzung des Richtervorbehalts im Falle der Eilanordnung einer Blutentnahme gem. § 81a Abs. 2 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt im Verkehr in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führte. Etwas anderes galt bei objektiver Willkür. Eine solche objektive Willkür war z.B. dann anzunehmen, wenn trotz grundsätzlicher Erreichbarkeit der Gerichte überhaupt kein Versuch unternommen wird, den zuständigen Ermittlungsrichter zu erreichen. Auch eine – den Willen des Gesetzgebers eklatant missachtende – Dienstanweisung einer höheren Polizeibehörde, nach der Gefahr im Verzug beim Verdacht von Trunkenheitsfahrten ausnahmslos zu bejahen und die Blutentnahme selbst anzuordnen ist, entsprach objektiver Willkür. Andererseits lag objektive Willkür noch nicht vor, wenn ein Polizeibeamter aufgrund seines Informationsstandes keine sichere Gewissheit hatte, in der nächsten halben Stunde tatsächlich einen zuständigen Ermittlungsrichter zu erreichen, und daraufhin selbst die Entnahme der Blutprobe anordnete. Ebenso fehlte es an objektiver Willkür, wenn der erreichte Ermittlungsrichter eine Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobe ohne Vorlage der Akten ablehnte und die Polizei dann selbstständig zur Verhinderung eines Beweismittelverlustes eine solche Maßnahme anordnete.
Durch die Neufassung des § 81a Abs. 2 StPO im Jahr 2017 (BGBl I S. 3202) hat der Gesetzgeber die im Bereich der angeordneten Blutentnahmen bestehenden Probleme weitgehend aufgelöst. Nach dem neugefassten Abs. 2 S. 2 bedarf die Entnahme einer Blutprobe abweichend von Abs. 2 S. 1 dann keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 315c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 und 3 oder § 316 StGB begangen worden ist. Grundlage für die Anordnung ist mithin ein auf Tatsachen beruhender Verdacht.