Rz. 266
In erster Linie geht der Anspruch gegen den Erben. Die Inanspruchnahme des Beschenkten kommt nur subsidiär nach § 2329 BGB in Betracht (siehe dazu im Einzelnen Rdn 269 ff.). Das setzt voraus, dass der Erbe selbst nicht zur Ergänzung verpflichtet sein darf.
Nicht ausreichend sind dafür tatsächliche Gründe, etwa weil der Erbe zahlungsunfähig ist oder aus sonstigen Gründen nicht belangt werden kann. Das Insolvenzrisiko soll durch § 2329 BGB nicht verlagert werden. Dem Berechtigten muss ein Betrag fehlen, und zwar aus Rechtsgründen. Das ist der Fall, wenn
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feststeht, dass kein Nachlass vorhanden ist; |
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der Nachlass überschuldet ist; |
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der Erbe zulässig seine Haftung beschränkt oder nur als Teilschuldner haftet und der Nachlass dafür nicht ausreicht; hier soll es ausreichen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Einrede vorliegen, sie muss nicht geltend gemacht sein (str.); |
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der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist und die Einrede nach § 2328 BGB möglich ist (oder geltend gemacht wurde, str.); |
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der Pflichtteilsberechtigte Alleinerbe geworden ist; hier richtet sich der Anspruch von Anfang an gegen den Beschenkten, weil niemand sonst zur Ergänzung verpflichtet sein könnte. |
Rz. 267
Hauptfall dürfte der sein, dass der Erbe prozessual seine Haftung nach § 780 ZPO beschränkt oder die Einreden der beschränkten Erbenhaftung erhebt und der Nachlass zur Begleichung der Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht ausreicht. Hier ist allerdings umstritten, ob der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich die Erhebung der Einrede abwarten muss. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist das nicht erforderlich. Die Rechtsprechung ist demgegenüber der Auffassung, dass das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB im Wege der Einrede geltend zu machen und nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
Rz. 268
Im Ergebnis heißt das: Wenn der Pflichtteilsberechtigte den Erben unbeschränkt in Haftung nehmen kann und dieser lediglich zahlungsunfähig ist, bleibt ihm ein direkter Rückgriff auf den Beschenkten versagt. Auch diese von der Rechtsprechung immer wieder bestätigte Rechtslage wird von der Literatur zum Teil abgelehnt. Ob es allerdings richtig ist, dem Beschenkten das Insolvenzrisiko des Erben aufzubürden, was ja die Folge wäre, wenn ein Anspruch gegenüber dem Beschenkten schon bei tatsächlicher Unmöglichkeit der Inanspruchnahme des Erben durchgriffe, dürfte fraglich sein. Im Gesetz heißt es dazu nun einmal lediglich, dass der Erbe zur Ergänzung nicht verpflichtet sein darf, nicht, dass er nicht in der Lage ist, den Anspruch zu erfüllen.