Rz. 45
Der schadensersatzrechtlich relevante Verdienstausfall ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den bisher erzielten Einkünften bzw. dem fiktiven Einkommen des Verletzten, das dieser voraussichtlich ohne den Unfall erzielt hätte, einerseits und den von ihm nach dem Schadensereignis tatsächlich noch erzielten Erwerbseinkünften andererseits. Ein solcher Verdienstausfall kann zeitweilig (vor allem während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit) oder dauernd (bei nicht mehr behebbarer Arbeitsunfähigkeit oder unfallbedingter Unfähigkeit des Verletzten, nochmals einen Arbeitsplatz zu erlangen) auftreten; er kann vollständig (bei völliger Erwerbsunfähigkeit) oder nur teilweise zu Buche schlagen (vermindertes Einkommen des Verletzten). Bei einem in Deutschland verletzten ausländischen Arbeitnehmer ist auf die Verhältnisse und Besonderheiten des einschlägigen ausländischen Arbeitsmarkts und die dort geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen abzustellen.
Rz. 46
Ein Erwerbsschaden ist nicht schon stets ab dem Zeitpunkt zu verneinen, zu dem der Verletzte gesundheitlich voll wiederhergestellt ist; vielmehr kann ein Verdienstausfall auch nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zugebilligt werden, wenn die Erwerbslosigkeit ihre Ursache weiterhin in dem Unfall findet. Eine solche Situation kann auch dann auftreten, wenn der Verletzte nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit wegen der inzwischen ungünstigeren Arbeitsmarktlage keine Stelle mehr findet. Der Schädiger kann sich nicht ohne Weiteres auf die unfallunabhängige Ursache einer generell schlechten Arbeitsmarktlage berufen, wenn die unfallbedingte Verletzung mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu geführt hat, dass der Geschädigte auf dem verengten Markt keine Arbeit (mehr) findet. Allerdings kann sich in solchen Fällen auf die Höhe des Ersatzanspruchs mindernd auswirken, dass auch in der Vergangenheit Zeiten ohne Erwerbseinkommen aufgetreten sind.
Rz. 47
Gelingt es dem Verletzten, seinen Beruf zu wechseln und in der neuen Tätigkeit jahrelang erfolgreich zu sein, so kann es, wenn er später ohne auf den Unfall zurückzuführenden Anlass freiwillig einen erneuten Berufswechsel vornimmt, der für ihn zu Einkommensverlusten führt, hinsichtlich dieses Erwerbsschadens an einem haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang mit dem Unfallereignis fehlen. Eine Ausgrenzung späterer Schadensfolgen aus dem vom Schädiger zu verantwortenden Gefahrenbereich unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass die Änderung des beruflichen Lebensweges von einer eigenständigen Entscheidung des Verletzten derart geprägt war, dass der Unfall für diese Entwicklung nur noch den äußeren Anlass darstellte, was nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger darzulegen und zu beweisen hat.
Rz. 48
Ist der Verletzte unfallbedingt gänzlich erwerbsunfähig, so stellt der gesamte auf der Grundlage des bisher erzielten Einkommens für die Zukunft prognostizierte Betrag der Einkünfte, die er hätte erzielen können, den zu ersetzenden Erwerbsschaden dar, wobei allerdings ersparte Aufwendungen und berücksichtigungsfähige Drittleistungen anzurechnen sind (siehe dazu oben Rdn 38 ff.).
Rz. 49
Bei dauernder Erwerbsunfähigkeit des Verletzten ist der zuzusprechende Verdienstausfall auf den Zeitraum zu beschränken, in welchem der Geschädigte, wäre er arbeitsfähig geblieben, voraussichtlich im Arbeitsleben hätte verbleiben können; in einem Urteil, mit dem eine Erwerbsschadenrente zugesprochen wird, muss deshalb der Endzeitpunkt festgelegt werden.
Rz. 50
Das Ende der Erwerbstätigkeit eines Arbeitnehmers ist mit dem Erreichen der gesetzlichen Arbeitsaltersgrenze anzunehmen, solange der Schädiger nicht eine vom gesetzlichen Normalfall abweichende Entwicklung darlegt. Auf statistisch errechnete Durchschnittszeitpunkte kann nicht abgestellt werden. Eine vom gesetzlichen Normalfall abweichende Entwicklung ist etwa zu bejahen, wenn der Geschädigte seine Erwerbstätigkeit ohnehin aufgrund einer unfallunabhängigen Erkrankung vor Erreichen der Arbeitsaltersgrenze hätte aufgeben müssen.
Rz. 51
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ende der Lebensarbeitszeit bisher mit der Vollendung des 65. Lebensjahres angenommen worden, sofern keine abweichenden Feststellungen einen anderen Zeitpunkt rechtfertigten. Die Arbeitsaltersgrenze wird gegenwärtig ab dem Geburtsjahrgang 1947 schrittweise auf 67 Jahre erhöht. Bei den Regulierungsverhandlungen bzw. bei der gerichtlichen Auseinandersetzung spielt also inzwischen der Geburtsjahrgang des Geschädigten eine Rolle, wenn das Lebensarbeitszeitende ermittelt werden muss.
Rz. 52
Bestimmte Berufsgruppen (z.B. Polizeibeamte, Soldaten) scheiden aufgrund gesetzlicher oder betrieblicher Regelungen früher aus dem Erwerbsleben aus. Soweit die jeweilige Regelung rechtmäßig ist (anders etwa die Zwangspensionierung von Piloten der Deutschen Lufthansa), ist sie bei der Prognose zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt, wenn Regelungen eine ...