Rz. 142
Bei einem Kleinunternehmer ist zu prüfen, ob er nicht tatsächlich Scheinselbstständiger ist. Scheinselbstständige sind rechtlich Arbeitnehmer. Sie sind deshalb sozialversicherungspflichtig. Bei einem Personenschaden erwerben sie einerseits Leistungsansprüche aus der Sozialversicherung, andererseits gehen etwa bestehende Ersatzansprüche gemäß § 116 SGB X auf die Sozialversicherer über. Ihr Erwerbsschaden berechnet sich nach den Grundsätzen, die für anhängig Beschäftigte gelten. Die Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit ergaben sich aus § 7 Abs. 4 SGB IV a.F., der allerdings lediglich die Grundsätze wiedergab, die in der Rechtsprechung entwickelt worden waren. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird, die sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb äußert, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Arbeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teilhat; demgegenüber kennzeichnen eine selbstständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Abhängigkeit wie der Selbstständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen, wobei Grundlage der Beurteilung die tatsächlichen Verhältnisse sind, während die in einer vertraglichen Vereinbarung gewählte Bezeichnung oder rechtliche Einordnung einer Tätigkeit nicht maßgehend ist. Unerheblich ist, ob der Geschädigte fälschlich zur Einkommens- und Gewerbesteuer veranlagt wurde, von ihm keine Sozialabgaben verlangt wurden oder er gelegentlich auch für andere Firmen tätig wurde. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige im Sinne des § 2 Nr. 9 SGB VI unterliegen der Rentenversicherungspflicht, sind aber rechtlich als Selbstständige zu behandeln. Zu prüfen ist insbesondere bei Kleinunternehmern, ob sie ihre Einkünfte ganz oder teilweise aus Schwarzarbeit beziehen; Einkünfte aus verbotener Schwarzarbeit sind nicht zu ersetzen (dazu oben Rdn 25 f.). Bei Kleinunternehmern mit nachweisbaren regelmäßigen Einkünften ist oft eine vereinfachte Berechnung möglich, etwa auf der Basis des Tagesbruttoumsatzes, der im Einzelnen zu belegen ist. Wird ein Ersatzarbeitnehmer eingestellt (oder arbeitet vorhandenes Personal mehr), liegt ein erstattungsfähiger Erwerbsschaden vor, wenn dadurch ein Betriebsergebnis erzielt wurde, das jedenfalls nicht höher lag, als es ohne das Schadensereignis durch den Unternehmer selbst hätte voraussichtlich erreicht werden können; in aller Regel darf nicht davon ausgegangen werden, dass die Unternehmensergebnisse, wäre der verletzte Unternehmer selbst weiterhin einsatzfähig gewesen, schlechter ausgefallen wären, als sie ohne diesen tatsächlich erreicht worden sind.
Rz. 143
Der verletzte Selbstständige kann seinen Erwerbsschaden auch konkret berechnen, indem er etwa dartut und nachweist, es seien ihm bestimmte einzelne Geschäfte entgangen. § 252 BGB ist insoweit nicht anwendbar. Dass ein konkreter Auftrag bzw. damit verbundener Gewinn entgangen ist, muss konkret nachgewiesen werden. Zwar gilt auch insoweit § 287 ZPO. Doch sind aber an den Nachweis, dass einzelne Aufträge unfallbedingt entgangen sind, hohe Beweisanforderungen zu stellen, weil hier die Gefahr der Manipulation durch Vorlage irgendwelcher Gefälligkeitsbescheinigungen groß ist. Nachzuweisen ist, dass ein bestimmter Auftrag erteilt wurde oder ohne den Schadensfall erteilt worden wäre, ferner, dass er schadensbedingt nicht ausgeführt und auch später nicht nachgeholt werden konnte. Kann der Auftrag später nachgeholt werden, ist der Geschädigte dazu aufgrund seiner Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung verpflichtet. Holt er ihn nach, entfällt der Schaden. Anders ist es ggfls., wenn die Nachholung überobligationsmäßig war (dazu unten Rdn 156). Sind Auftragserteilung und unfallbedingte Nichterfüllung bewiesen, ist der Gewinnentgang nach § 287 ZPO zu ermitteln, notfalls durch Schätzung. Ersparte Kosten des Auftrags sind abzusetzen. Eine Kompensation des Gewinnentgangs durch freie Kapazitäten nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ist evtl. im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen.
Rz. 144
Bei der Ermittlung schadensbedingter Erwerbsschäden anhand der Betriebsergebnisse auf der Basis einer Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich der Schaden aus einer Gegenüberstellung des hypothetischen Gewinns ohne das Schadensereignis mit dem danach tatsächlich erzielten Gewinn. Der Erwerbsschaden ist gegebenenfalls getrennt nach Zeitabschnitten zu ermitteln. In der Regel sind die jeweiligen Jahresbetriebsergebnisse gegenüberzustellen. Für die Prognose ist in der Regel der Gewinn...