Rz. 125
In der heutigen Regulierungspraxis haben die Probleme, die sich daraus ergeben, dass als Teil des Erwerbs- und Fortkommensschadens auch die Nachteile zu ersetzen sind, die dem Geschädigten durch unfallbedingte Nichtabführung von Beiträgen zur Rentenversicherung entstehen, einen anderen Stellenwert als in der früheren Rechtsprechung. Für Unfälle, die sich ab dem 1.7.1983 (Unfalltag, vgl. § 120 Abs. 1 S. 1 SGB X) ereignet haben, besteht der Ersatzanspruch des Rentenversicherers nach § 119 SGB X. Damit ist dem Geschädigten selbst die Geltendmachung von Rentenminderungsschäden weitgehend entzogen. § 119 SGB X gilt nach § 120 Abs. 1 S. 2 SGB X rückwirkend auch für vor dem 1.1.2001 vorgenommene Schadensregulierungen, wenn über diese noch nicht abschließend entschieden wurde. Danach ergeben sich die für die Schadensregulierung zu beachtenden Probleme im Wesentlichen für Schadensfälle aus der Zeit vor dem 1.7.1983 (Inkrafttreten des SGB X), als der Verletzte noch selbst für seine Absicherung sorgen musste. Hinsichtlich der älteren Rechtsprechung und der Differenzierung nach Schadenszeiträumen soll daher auf spezielle Literatur verwiesen werden. Hier sei nur Folgendes ausgeführt:
Rz. 126
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten folgende Grundsätze: Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können grundsätzlich Gegenstand eines Regresses nach § 119 SGB X sein. Sie gehören zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Der Schädiger hat deshalb während der von ihm zu vertretenden Arbeitsunfähigkeit des Versicherten auch für diese Beiträge als dessen Verdienstausfallschaden im Sinne der §§ 842, 843 BGB aufzukommen, wenn und soweit sie in dieser Zeit zu entrichten sind. Ferner hat der Schädiger, wenn infolge des Verlustes der versicherungspflichtigen Beschäftigung die Beitragspflicht entfällt, grundsätzlich die Nachteile zu ersetzen, die dem Versicherten durch diese Störung seines Versicherungsverhältnisses entstehen. Als Erwerbs- und Fortkommensschaden sind auch die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten durch eine Unterbrechung in der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen. Insoweit haben der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer prinzipiell schon bei Entstehung der Beitragslücken dafür zu sorgen, dass eine unfallbedingte Verkürzung späterer Versicherungsleistungen von vornherein ausgeschlossen wird, wobei die Ersatzpflicht nicht voraussetzt, dass eine nachteilige Beeinflussung der (späteren) Rente bereits feststeht, vielmehr schon die Möglichkeit einer Rentenverkürzung ausreicht, um vom Schädiger den Ersatz der Beiträge zur Fortsetzung der sozialen Vorsorge verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung kann etwa auch bestehen, wenn ein zum Unfallzeitpunkt rentenversicherungspflichtiger Geschädigter, der seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, eine Tätigkeit als Beamter aufnimmt; gem. § 7 Abs. 2 SGB VI kann auch ein Beamter freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisten, so dass der Ersatz der ausgefallenen Pflichtbeiträge durch Zahlungen auf das Rentenkonto des Geschädigten nach sozialrechtlichen Vorschriften möglich ist.
Rz. 127
Der Gesetzgeber hat § 119 SGB X geschaffen, um die von der älteren Rechtsprechung aufgezeigten beitragsrechtlichen Hindernisse für einen vollen Schadensausgleich des Pflichtversicherten zu beseitigen und sicherzustellen, dass der Sozialversicherte später Sozialleistungen erhält, die auch die Zeit der Verletzung umfassen. Das Gesetz hat somit dem Sozialversicherungsträger die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs beim Schädiger nicht mit Blick auf einen Rückgriffwegen Versicherungsleistungen, sondern deshalb zugewiesen, um sicherzustellen, dass der für den Beitragsausfall bestimmte Schadensersatz seinen Zweck, das Beitragskonto des Pflichtversicherten auszugleichen, auf direktem Weg erfüllt. Insoweit hat also der Sozialversicherungsträger nicht die Stellung eines Regressgläubigers, sondern diejenige eines Treuhänders des Pflichtversicherten, für den er vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer die auf die Beitragslücken zu verrechnenden Schadensersatzbeträge in Empfang nimmt und dem Beitragskonto des Versicherten zuführt. Der Geschädigte ist weder aus eigenem Recht noch in gewillkürter Prozessstandschaft des Sozialversicherungsträgers zur Geltendmachung von auf diesen nach § 119 SGB X übergegangenen Ansprüchen vor den Zivilgerichten prozessführungsbefugt. Kommt der Sozialversicherungsträger seiner Pflicht zur Geltendmachung des sich aus § 119 SGB X ergebenden Anspruchs nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch oder ein Amtshaftungsanspruch bestehen. So kann etwa der Rentenversicherungsträger die Ansprüche verjähren lassen.
Rz. 128
Ein Schadensersatzanspruch des Versicherten aus Amtspflichtverletzung scheidet wohl aus, wenn dieser es schuldhaft versäumt hat, d...