Rz. 298
Der unfallbedingte Erwerbsschaden kann den Verletzten existenziell treffen, etwa wenn er als Selbstständiger nicht in der Lage ist, sein Unternehmen fortzuführen. Da gerade in solchen Fällen ein Rechtsstreit hinsichtlich der vom Schädiger zu zahlenden Verdienstausfallrente längere Zeit in Anspruch nehmen kann, muss es dem Verletzten möglich sein, auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzugreifen. In Betracht kommt dabei eine auf vorläufige Zahlung einer Schadensersatzrente gerichtete einstweilige Verfügung auf der Grundlage des § 940 ZPO. Es handelt sich um den Fall einer Leistungsverfügung, bei der jedoch insoweit Vorsicht geboten ist, als eine einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht das Ergebnis einer Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen soll. Deshalb sind bei einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der eine zur (zeitweiligen) Befriedigung des Gläubigers führende Leistung betrifft, sowohl an die Voraussetzungen des Verfügungsanspruchs als auch an diejenigen des Verfügungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen.
Rz. 299
Im Vordergrund muss hier stehen, dass von dem Unfallgeschädigten, der sein Erwerbseinkommen verloren hat, eine seine wirtschaftliche Existenz bedrohende Notlage abgewendet werden muss; zu diesem Zweck ist es rechtlich zulässig, Schadensersatzrenten nach §§ 842 ff. BGB im Wege der einstweiligen Verfügung sicherzustellen.
Rz. 300
Die im Wege einstweiligen Rechtsschutzes angeordnete Rentenzahlung muss sich der Höhe nach auf den Betrag beschränken, der notwendig ist, um eine Existenzgefährdung vom Geschädigten abzuwenden. Dabei kann aber nicht auf die Richtsätze der Sozialhilfe abgestellt werden, die dem Betreffenden nur die untere Grenze des Existenzminimums gewährleisten. Der Geschädigte darf durch die Dauer des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht gezwungen werden, seine bisherige Lebenshaltung in unangemessener Weise herabzusetzen. Da im Wege einstweiliger Verfügung aber nur der notwendige Bedarf sichergestellt werden kann, wird es grundsätzlich zulässig sein, an die Pfändungsfreigrenzen (vgl. § 850c ZPO) anzuknüpfen.
Rz. 301
Da es nur um die Abwendung einer existenziellen Gefahr für den Geschädigten gehen kann, ist stets streng zu prüfen, ob sich der Verletzte auf andere Weise zumutbar von der akuten Notlage befreien kann. Dies ist etwa dann zu bejahen, wenn er einen Unterhaltsanspruch gegenüber Dritten, z.B. seinen Eltern hat; dem steht § 843 Abs. 4 BGB nicht entgegen, da es beim einstweiligen Rechtsschutz nur um die vorläufige Abwendung einer Notlage, nicht aber um eine endgültige Lastenverteilung geht. Hingegen kann der Geschädigte auch im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht auf etwaige Ansprüche aus dem Bundessozialhilfegesetz (seit 1.1.2005 gilt das SGB XII) verwiesen werden.