Rz. 2
Das Vergütungssystem in Strafsachen wurde gegenüber der BRAGO völlig neu geregelt. Während die BRAGO die Tätigkeit des Anwalts in der Hauptverhandlung (§ 83 BRAGO) in den Mittelpunkt stellte und ausgehend hiervon geringere Rahmen (§ 84 Abs. 1 BRAGO) oder höhere Rahmen (§§ 84 Abs. 2, 83 Abs. 3 BRAGO) vorsah, sind jetzt ähnlich wie in Zivilsachen zunächst einmal
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Verfahrens- und |
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Terminsgebühren |
vorgesehen.
Daneben gibt es
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allgemeine und |
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zusätzliche Gebühren. |
In Bußgeldsachen findet sich im RVG - im Gegensatz zur BRAGO, die für das Bußgeldverfahren lediglich einen einzigen, dazu noch auf die Gebühren in Strafsachen verweisenden Paragraphen (§ 105 BRAGO) kannte - eine völlig eigenständige Regelung.
I. Grundgebühr
Rz. 3
Zunächst erhält der Verteidiger eine Grundgebühr (VV 4100 bzw. 5100), die den Arbeitsaufwand honorieren soll, der mit der Übernahme des Mandats entsteht, also das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen.
Mit der Grundgebühr wird lediglich die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten. Darüberhinausgehende Tätigkeiten werden von der Grundgebühr nicht erfasst, sondern lösen die Verfahrensgebühr aus (LG Aurich AGS 2011, 593).
Die Grundgebühr entsteht neben der Verfahrensgebühr und unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt die erstmalige Einarbeitung in die Sache erfolgt. Sie fällt parallel und zeitgleich mit der Verfahrensgebühr an. Sie kann aber insgesamt nur ein einziges Mal entstehen.
Auch die Grundgebühr bemisst sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles und ist alleine nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmen.
Es darf weder eine instanzielle Abstufung (z.B. "vorbereitendes Verfahren wie Verfahren vor Verwaltungsbehörde ist im Vergleich zur Rechtsmittelinstanz regelmäßig weniger aufwendig und damit unterdurchschnittlich") vorgenommen werden, noch eine Abstufung nach Ordnung des Gerichts oder der Höhe der Geldbuße."
II. Verfahrensgebühr
Rz. 4
Mit der Grundgebühr wird lediglich die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten. Darüberhinausgehende Tätigkeit löst die Verfahrensgebühr aus (LG Aurich AGS 2011, 593), die parallel und zeitgleich zur Verfahrensgebühr anfällt.
Diese erhält der Anwalt nach der Legaldefinition in VV Vorb. 4 Abs. 2 bzw. VV Vorb. 5 Abs. 2 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Informationen, weshalb z.B. bereits die Einlegung eines Einspruches ohne Begründung die Vorverfahrensgebühr auslöst (LG Hamburg zfs 2006, 470). Sie entsteht mit der Beauftragung des Verteidigers und nicht erst nach erfolgter Einarbeitung in den Fall. Die Verfahrensgebühr und die Grundgebühr entstehen daher zeitgleich nebeneinander wie der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG zum 1.7.2013 durch den Zusatz in VV 4100, wonach die Grundgebühr "neben der Verfahrensgebühr" anfällt, deutlich gemacht hat. In diesem Sinne hatte früher schon das AG Tiergarten (AGS 2009, 322) gegen die bis dahin h.M. entschieden."
Sie kann jeweils sowohl im vorbereitenden als auch im gerichtlichen Verfahren entstehen, wobei das gerichtliche Verfahren mit dem Eingang der Akten bei Gericht beginnt.
III. Terminsgebühren
Rz. 5
Terminsgebühren können für die Teilnahme an (in der Regel Vernehmungs-)Terminen sowohl im Vorverfahren als auch im Hauptverfahren entstehen (VV 4102 bzw. 5102; VV 5104; VV 5106) und zwar im Ermittlungs- bzw. Vorverfahren und im Hauptverfahren sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hauptverhandlung (VV 4102; VV 4108 bzw. 5102, 5104, 5106, VV Vorb. 5.1.3 Abs. 1; VV 5108, 5110, 5111).
Die Terminsgebühr fällt bereits an, wenn ein Termin stattgefunden hat, an dem der RA teilgenommen hat; eine besondere Tätigkeit muss er dagegen nicht entfaltet haben (LG Bremen DAR 2013, 58).
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kann die Terminsgebühr also z.B. für die Teilnahme an einer richterlichen Vernehmung (VV 4102 Abs. 1) oder einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft bzw. einer anderen Strafverfolgungsbehörde anfallen, ebenso wie in Bußgeldsachen für die Teilnahme an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde (VV Vorb. 5.1.2. Abs. 2).
Die Terminsgebühr erhält der Anwalt auch für die Teilnahme an einem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen durchgeführten Ortstermin (LG Braunschweig AGS 2011, 539).
Praxistipp: Terminsgebühr auch im Abwesenheitsverfahren
Nach Auffassung von Heinrich fällt sogar im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG die Terminsgebühr dann an, wenn der Verteidiger zwar nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, ein von ihm zu den Akten gereichter Schriftsatz jedoch in der Hauptverhandlung verlesen und verwertet worden ist.
Rz. 6
Was die Höhe der Terminsgebühr angeht ist zu beachten, dass mit ihr auch die Vorbereitung des jeweiligen Termins mitabgegolten werden soll (OLG Hamm AGS 2006, 498; LG Hamburg AGS 2008, 343; LG Cottbus Beschl. v. 20.11.2018 - 22 Qs 76/18, juris).
Für deren Höhe ist die Dauer der Hauptverhandlung nicht alleiniges Kriterium, was besonders dann gilt, wenn die weiteren Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG überdurchschnit...