Dr. Heribert Heckschen, Dr. Matthias Kreußlein
Rz. 11
§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG definiert den Beherrschungsvertrag als Vereinbarung, mit der die Leitung (i.S.d. § 76 AktG) einer Gesellschaft (Untergesellschaft, beherrschte Gesellschaft) der Leitung einer anderen Gesellschaft (Obergesellschaft, herrschende Gesellschaft) unterstellt wird. Die Leitung der abhängigen Gesellschaft ist dann entgegen § 76 AktG weisungsgebunden (§ 308 AktG).
Rz. 12
Die Beherrschung der Untergesellschaft muss nicht umfassend sein, sondern lediglich den Tatbestand des § 18 AktG erfüllen und damit eine einheitliche Leitung ermöglichen. Ausreichend ist daher bereits die Sicherstellung von Planung, Durchführung und Kontrolle in einem wesentlichen Bereich der unternehmerischen Tätigkeit (ausf. oben Rdn 8). Teilbeherrschungsverträge, die sich auf einzelne Ausschnitte der Unternehmensleitung beschränken, werden daher als zulässig angesehen. Bedenklich erscheinen vertragliche Gestaltungen, die das Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft darüber hinaus einschränken und nur hinsichtlich einzelner Betriebe der Untergesellschaft gewähren.
Rz. 13
Beherrschungsverträge werden häufig gemeinsam mit einem Gewinnabführungsvertrag geschlossen (sog. Organschaftsvertrag). Zwingend ist das nicht; isolierte Beherrschungsverträge sind zulässig. Aus § 291 Abs. 3 AktG sowie § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ergibt sich, das auch das Bestehen eines isolierten Beherrschungsvertrages zu einem (auch vor dem Hintergrund der Kapitalerhaltungsvorschriften rechtmäßigen) Abfluss von Gesellschaftsvermögen an den herrschenden Aktionär oder einem mit ihm verbundene Unternehmen führen kann, etwa im Rahmen von gewinnunabhängigen Vermögenstransfers innerhalb des Konzerns. Nachteilige Weisungen sind zulässig, jedenfalls solange die (auch bei einer beherrschten GmbH analog bestehende) Verlustübernahmepflicht der Obergesellschaft erfüllt wird. Der herrschende Aktionär bzw. GmbH-Gesellschafter unterliegt auch keiner gesellschafterlichen Treuepflicht. Der existenzvernichtende Eingriff stellt die Grenze des Weisungsrechts dar, weshalb keine Weisungen erteilt und von der Geschäftsleitung der Untergesellschaft befolgt werden dürfen, die ihr Überleben gefährden würden. Es ist den Beteiligten aber unbenommen, das Weisungsrecht abzuschwächen und insbesondere für die Untergesellschaft nachteilige Weisungen vertraglich auszuschließen (§ 308 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AktG).
Rz. 14
Gegenstand des Beherrschungsvertrages ist die (einheitliche) Leitung der Untergesellschaft i.S.d. § 18 AktG. Der Obergesellschaft muss also das Recht und die Möglichkeit eingeräumt werden, der Untergesellschaft bzw. deren Leitung für den vereinbarten Ausschnitt unternehmerischer Tätigkeit Weisungen i.S.d. § 308 AktG zu erteilen und diese im Konfliktfall auch durchzusetzen. Auf die Bezeichnung als "Beherrschungsvertrag" oder die ausdrückliche Vereinbarung eines Weisungsrechtes kommt es hierbei nicht an. Für die Einordnung als Beherrschungsvertrag ist allein entscheidend, ob die Regelungen des Vertrages der Obergesellschaft die Möglichkeit geben, die Handlungen des Vorstandes letztverbindlich und abschließend (i.S.v. § 18 AktG) zu steuern und sie von den Beteiligten auch so verstanden und gelebt werden.