Dr. Heribert Heckschen, Dr. Matthias Kreußlein
Rz. 15
Durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2. AktG) verpflichtet sich ein Unternehmen (verpflichtetes Unternehmen, Untergesellschaft) seinen gesamten Bilanzgewinn (Jahresüberschuss i.S.d. § 301 AktG) an das andere Unternehmen (Obergesellschaft) abzuführen. Er wird daher auch als Ergebnisabführungsvertrag bezeichnet. Die Abführungspflicht wird allerdings durch die Pflicht zur Bildung gesetzlicher Rücklagen eingeschränkt. § 150 Abs. 2 AktG wird durch § 300 AktG aber modifiziert. Eine entsprechende Bestimmung existiert für die GmbH als beherrschte Gesellschaft nicht. Daher gilt § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG auch für eine konzernierte UG (haftungsbeschränkt) als Untergesellschaft. Erst nach Erfüllung des Rücklagenbildungsgebots (vgl. § 10 Rdn 554) kann die Gewinnabführung an das herrschende Unternehmen stattfinden.
Rz. 16
Der Abschluss des Vertrages führt zur Mittelauskehr an einen Aktionär, und zwar auch bei bestehender Unterbilanz. Darin liegt jedoch gem. § 291 Abs. 3 AktG kein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57, 58, 60 AktG). Die im System des Gläubigerschutzes entstandene Lücke wird durch die in §§ 300–307 AktG vorgesehenen Sicherungsmechanismen wieder geschlossen. Für die GmbH als beherrschte Gesellschaft ergibt sich entsprechendes aus § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, wonach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG nicht für Auszahlungen gilt, die auf Grundlage eines bestehenden Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG) erfolgen.
Rz. 17
Ein Gewinnabführungsvertrag tritt in der Praxis häufig zusammen mit einem Beherrschungsvertrag in Erscheinung. Wie auch isolierte Beherrschungsverträge vereinbart werden können (dazu oben Rdn 13), so ist auch der Abschluss eines isolierten Gewinnabführungsvertrages zulässig. Die Obergesellschaft kann dann keinerlei Weisungsrechte gegenüber der Untergesellschaft ausüben. § 308 AktG gilt ausdrücklich nur bei zusätzlichem Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Der (zusätzliche) Abschluss eines Beherrschungsvertrages kann aus mitbestimmungsrechtlicher Perspektive sogar nachteilig sein, da nach § 2 DrittelbG die Mitarbeiter der Untergesellschaft der Obergesellschaft zugerechnet werden.
Anders als ein Beherrschungsvertrag kann ein Gewinnabführungsvertrag auch rückwirkend für den Beginn des Geschäftsjahres abgeschlossen werden, da hier nicht wie beim Beherrschungsvertrag die Gefahr besteht, dass ursprünglich rechtmäßige Handlungen nachträglich unrechtmäßig werden können. Für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr kann eine solche Vereinbarung nicht getroffen werden. Wird der Beherrschungsvertrag mit einem rückwirkenden Gewinnabführungsvertrag kombiniert, sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass der Beherrschungsvertrag erst mit seiner Eintragung und nicht für die Vergangenheit gelten soll.
Rz. 18
Hintergrund des Abschlusses von Gewinnabführungsverträgen sind häufig steuerliche Überlegungen. Nach § 14 KStG wird durch Begründung einer körperschaftsteuerlichen (bzw. i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gewerbesteuerlichen) Organschaft das Einkommen der abführungspflichtigen Gesellschaft (Organgesellschaft) dem Träger des Unternehmens (Organträger) zugerechnet.
Erste Voraussetzung hierfür ist die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres in den Organträger (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Sie muss hierzu die Stimmenmehrheit aus den (eigenen) Anteilen der Organgesellschaft besitzen. Die Vereinbarung von Stimmbindungsverträgen ist nicht ausreichend, genauso wenig wie Anteile von Angehörigen zum Organträger gezählt werden können. Problematisch sind die Fälle, in denen die Beteiligung vom Organträger im laufenden Wirtschaftsjahr erworben, aber ein rückwirkender Übertragungsstichtag vereinbart wird. Der bloße Erwerb von Anteilen im Rückwirkungszeitraum begründet noch keine finanzielle Eingliederung. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn eine bereits bestehende Mehrheitsbeteiligung in den Organträger eingebracht wird.
Weitere Voraussetzung für die Anerkennung der steuerlichen Organschaft ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG die Vereinbarung einer fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit. Hierdurch soll eine willkürliche Gewinnbeeinflussung durch häufige Wechsel in und aus dem Organschaftsverhältnis heraus vermieden werden. Maßgebend hierfür sind nicht Wirtschaft-, sondern Zeitjahre. Der Fünfjahreszeitraum kann aber auch bei Bildung von Rumpfwirtschaftsjahren eingehalten werden und wird deshalb durch nachfolgende Umstellung des Wirtschaftsjahres, was zu einer Beendigung des Vertrages im laufenden Wirtschaftsjahr führt, nicht grds. beeinträchtigt. Auch eine steuerliche Rückwirkungsfiktion ist bei der Berechnung des Fünfjahreszeitraums grds. anzuerkennen, selbst wenn die Organgesellschaft im Rückwirkungszeitrum noch nicht einmal gegründet war.
Fehlt eine der vorgenannten Voraussetzungen, scheitert die Organschaft und kann nicht repariert werden.