Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
Rz. 99
§ 129 Abs. 1 InsO verlangt eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung, die die Nachlassgläubiger benachteiligt, d.h. die zu einer objektiven Vermögensminderung führt. Diese liegt dann vor, wenn sich durch die Rechtshandlung des Erblassers die Aktivmasse verkürzt hat und dadurch der Zugriff der Nachlassgläubiger auf das Schuldnervermögen unmöglich gemacht wurde.
Rz. 100
Gemäß § 129 Abs. 2 InsO ist auch das Unterlassen anfechtbar, nachdem dies genauso gläubigerschädigende Wirkung haben kann wie positives Tun. Allerdings ist dann Voraussetzung, dass das Unterlassen wissentlich oder willentlich geschieht, da es bei unbewussten oder fahrlässigen Unterlassungen an einer vom Begriff der Rechtshandlung umfassten notwendigen Willenserklärung fehlt. Das unentgeltliche Wohnenlassen in einer Erblasserimmobilie fällt nicht darunter.
Rz. 101
Notwendiges Tatbestandsmerkmal ist die objektive Benachteiligung aller Insolvenzgläubiger und nicht eines einzelnen. Eine solche Benachteiligung liegt dann vor, wenn die Nachlassaktivmasse durch Rechtshandlung verkleinert worden ist und die Befriedigungsmöglichkeit der Nachlassgläubiger dadurch verkürzt, vermindert, erschwert oder verzögert werden. Dies liegt z.B. bei allen unentgeltlichen Zuwendungen von Geldbeträgen vor. Ob der Beschenkte einwenden kann, dass er zur Herausgabe der Geldgeschenke nicht verpflichtet ist, da es sich um eine Anstandsschenkung handelt, ist nicht entschieden. Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet immer dann aus, wenn die Nachlassinsolvenzmasse auch ohne Rückgewähr der ausgeschiedenen Vermögensgegenstände ausreicht, um die Nachlassgläubiger zu befriedigen, dies wird oftmals bei Insolvenzverfahren gerade wegen Zahlungsunfähigkeit nicht beachtet.
Rz. 102
Zusätzliche Voraussetzung für die Anfechtung ist ein Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Verkürzung des Gläubigerzugriffs. Alle Nachlassgläubiger müssen also ohne die vorgenommene Rechtshandlung eine günstigere Befriedigungsmöglichkeit gehabt haben, so auch die Rückforderung von Immobilien (typische Hausüberlassung).
Rz. 103
Bei den Anfechtungstatbeständen des § 132 Abs. 1 InsO (unmittelbar nachteilige Rechtshandlung) und § 133 Abs. 2 InsO (vorsätzliche Benachteiligung) muss die Rechtshandlung zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Erblasser Pfandbriefe u.a. unter Wert veräußert oder ein Darlehen unter dem marktüblichen Zinssatz gewährte.
Rz. 104
Keine benachteiligenden Rechtshandlungen liegen vor, wenn das Schuldnervermögen nicht beeinträchtigt wird, d.h. wenn wertlose oder unpfändbare Gegenstände weggegeben werden.
Rz. 105
Die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs von Vermächtnissen und Auflage ist stets anfechtbar.