Rz. 98
Durch das FamFG wurde der neue Begriff "Verfahrenskostenhilfe" für einige Familiensachen und auch für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeführt. In § 76 FamFG wird für die Verfahrenskostenhilfe (VKH) auf die §§ 114 ff. ZPO verwiesen, soweit in den §§ 76 ff. FamFG nichts anderes geregelt ist. Ein Beschluss im Verfahrenskostenhilfeverfahren kann mit der sofortigen Beschwerde entsprechend §§ 567–572, 127 Abs. 2–4 ZPO angefochten werden. In Ehesachen und Familienstreitsachen (z.B. Ehegattenunterhalt, Zugewinnausgleichsansprüche) sind nach § 113 Abs. 1 FamFG unter anderem die §§ 76–96 FamFG nicht anzuwenden. Es gelten in diesen Verfahren die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend. Diese Regelung sorgt für einige Verwirrung. Denn in § 113 Abs. 5 FamFG ist geregelt, dass es anstelle des Wortes "Prozess" "Verfahren" heißen soll. Damit gibt es in Familiensachen zwei Arten von Verfahrenskostenhilfe. Für Ehe- und Familienstreitsachen gelten die Bestimmungen über die Verfahrenskostenhilfe des FamFG nicht, sondern ausschließlich die §§ 114 ff. ZPO (vgl. dazu § 113 Abs. 1 FamFG). Es ist damit eine reine Prozesskostenhilfe, die aber Verfahrenskostenhilfe heißt. Für andere Familiensachen (die nicht Ehesache und auch nicht Familienstreitsache sind) gilt zwar auch die ZPO, aber es gelten daneben eben auch noch die §§ 76 ff. FamFG für die Verfahrenskostenhilfe. Diese Verfahrenskostenhilfe ist also eine Verfahrenskostenhilfe, für die sowohl die ZPO als auch die entsprechenden Bestimmungen des FamFG gelten. Und es gibt eben auch Unterschiede. So wird z.B. in einer Kindschaftssache (die §§ 76 ff. FamFG gelten hier) ein Anwalt nicht schon deswegen beigeordnet, weil die Gegenseite anwaltlich vertreten ist; das Gericht prüft vielmehr, ob besondere Gründe für die Beiordnung eines Anwalts vorliegen, denn Anwaltszwang gibt es in derartigen Verfahren nicht.
Rz. 99
Zum besseren Verständnis: Die Bewilligung von Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe führt noch nicht automatisch dazu, dass auch ein Anwalt beigeordnet wird. Zum einen bedarf es hierzu eines weiteren Antrags, zum anderen kann es sein, dass das Gericht die Beiordnung eines Anwalts ablehnt, die Prozesskostenhilfe aber bewilligt (z.B. bei fehlendem Anwaltszwang und wenn das Gericht der Meinung ist, die Partei kann sich selbst vertreten; auch, wenn die Gegenseite nicht anwaltlich vertreten ist). Das führt dann dazu, dass zwar der Auftraggeber keine Gerichtskosten oder Sachverständigengebühren zahlen muss; diese übernimmt die Staatskasse, seine Anwaltskosten muss er aber dann selbst tragen.
Rz. 100
Nach § 77 FamFG besteht für übrige Beteiligte vor Bewilligung der VKH die Möglichkeit zur Stellungnahme, in Antragsverfahren ist dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (sofern dies nicht aus besonderen Gründen unzweckmäßig erscheint). Die VKH für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich der Abgabe der Vermögensauskunft.
Rz. 101
Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, § 78 Abs. 1 FamFG. Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 78 Abs. 2 FamFG. Dies ist eine Besonderheit für die Verfahrenskostenhilfe. § 78 Abs. 3 FamFG regelt, dass ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen. Findet der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, das Gericht beabsichtigt aber einen beizuordnen, ordnet der Vorsitzende des Gerichts ihm auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.
Rz. 102
Für Ehesachen ist gesetzlich geregelt, dass die Beiordnung im Hauptsacheverfahren automatisch auch die Beiordnung für alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten für den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 VV RVG in bestimmten Folgesachen umfasst (§ 48 Abs. 3 RVG):
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Einigung, die den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten regelt, |
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Einigung, die den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander regelt, |
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Einigung, die das Sorgerecht der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder regelt, |
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Einigung, die die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und dem Hausrat regelt, |
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Einigung, die die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht (also insbesondere Zugewinnausgleich) regelt. |
Rz. 103
§ 48 Abs. 3 S. 1 RVG gilt auch im Fall der Beiordnung in Lebenspartnerschaftssachen. Das heißt Folgendes: Kommt es z.B. zu einer Einigung in einer Scheidungssache über Unterhalt und Zugewinn, kann...