Rz. 447
Macht der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzanspruch geltend, hat er gem. § 17 Abs. 3 ARB bzw. Nr. 4.1.1.2 ARB 2012 den Rechtsschutzversicherer vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Rechtsschutzfalls zu informieren sowie Beweismittel anzugeben und Unterlagen auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (so auch § 15 Abs. 1 a ARB 75). Diese Obliegenheit setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer den Rechtsschutzanspruch geltend macht (vgl. § 15 Abs. 1 a ARB 75: "Begehrt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, …"). Diese einschränkende Obliegenheitsvoraussetzung wirft die Frage auf, ob der Versicherungsnehmer mit der Erfüllung der Obliegenheit (unbegrenzt) warten kann, bis er sich entschlossen hat, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, etwa erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens. Piontek bejaht diese Frage. Nach anderer Auffassung muss dagegen die Unterrichtung des Rechtsschutzversicherers so rechtzeitig erfolgen, dass der Rechtsschutzversicherer die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung, insbesondere einer beabsichtigten Klage oder eines Rechtsmittels, noch prüfen kann. Das OLG Köln geht hingegen davon aus, dass der Rechtsschutzversicherer auch nachträglich noch die Erfolgsaussichten prüfen kann, allerdings aus der Sicht ex ante, d.h. bezogen auf den Zeitpunkt der Rechtsverfolgung. Es fällt auf, dass § 15 Abs. 1 a ARB 75 für den Fall, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz begehrt, eine unverzügliche Unterrichtung des Rechtsschutzversicherers verlangt, während § 17 Abs. 3 ARB eine solche Unterrichtung nicht innerhalb einer bestimmten Frist oder "unverzüglich" vorsieht. Das Problem muss von der Rechtsprechung noch gelöst werden.
Rz. 448
Hinweis
Der Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers sollte, auch im eigenen Haftungsinteresse, unabhängig von Auslegungsproblemen den Rechtsschutzversicherer so bald und so vollständig wie möglich informieren. Auch die bekannten Einwendungen des Gegners sind dem Rechtsschutzversicherer ohne besondere Aufforderung mitzuteilen. Allerdings sind speziell bei einem beabsichtigten Arzthaftungsprozess die haftungsrechtlich geltenden prozessualen Grundsätze der niedrigen Anforderungen an die Substanziierung auch auf die Informationsobliegenheit zu übertragen, so dass dieser bereits genügt wird, wenn sich der Patient auf einen Vortrag beschränkt, der lediglich die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet.
Rz. 449
Das OLG Frankfurt a.M. hatte einem Rechtsschutzversicherer die Berufung auf § 15 Abs. 1 a ARB 75 versagt, obwohl der Versicherungsnehmer erst Monate nach einer außergerichtlichen Auseinandersetzung den Rechtsschutzversicherer informiert hatte. Es geht von der bekannten Relevanzrechtsprechung des BGH aus, die es auch im Rahmen des § 15 ARB 75 für einschlägig hält, und stellt fest, dass die Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nicht generell geeignet gewesen sei, die berechtigten Interessen des Rechtsschutzversicherers ernsthaft zu gefährden: "In der Rechtsschutzversicherung kommt es in aller Regel nicht entscheidend darauf an, dass der Versicherer so schnell wie möglich von den Umständen des Versicherungsfalls erfährt." Allerdings ist zu beachten, dass der BGH es in einer neueren Entscheidung zu den ARB 75 bei angenommener Verletzung der Unterrichtungsobliegenheit des § 15 ARB 75 für die Kausalität hat ausreichen lassen, dass der Rechtsschutzversicherer keine Möglichkeit hatte, die Eintrittspflicht zu überprüfen.
Rz. 450
Der Versicherungsnehmer hat nicht nur den Rechtsschutzversicherer, sondern auch den für ihn tätigen Rechtsanwalt vollständig und wahrheitsgetreu zu unterrichten (§ 17 Abs. 5 a ARB; § 15 Abs. 1 b ARB 75). Ferner muss er dem Rechtsschutzversicherer auf dessen Verlangen Unterlagen zur Verfügung stellen (§ 17 Abs. 3 ARB; § 15 Abs. 1 a ARB 75) sowie Auskunft über den Stand des Verfahrens geben (§ 17 Abs. 5 b ARB; § 15 Abs. 1 c ARB 75). Hinsichtlich der Reichweite der Informationspflicht ist zu beachten, dass diese sich nur auf die "Umstände" des Rechtsschutzfalls und damit nur auf "Tatsachen" bezieht, so dass z.B. folgende Pflichten nicht bestehen: Rechtsausführungen zu machen oder Rechtsprechungsnachweise beizubringen; Tatsachen mitzuteilen, deren Erarbeitung fachmedizinische Kenntnisse voraussetzt; eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) oder ein Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer zu veranlassen, wenn es um die Geltendmachung von Arzthaftungsansprüchen geht; Vergleichsurteile zur Anspruchshöhe für einen beabsichtigten Arzthaftungsprozess oder "fachmedizinische" Stellungnahmen zu beschaffen.
Rz. 451
Die Beweislast dafür, dass keine ausreichenden Informationen erteilt wurden, trägt der Rechtsschutzversicherer, weil dies zum objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung gehört. Die Informationsobliegenheit entfällt in Über...