Rz. 54
Problematisch kann die Rechtslage sein, wenn der Anwalt tätig wird, bevor die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers vorliegt. In der Regel werden keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen für den Fall, dass die Rechtsschutzdeckung später abgelehnt wird. Fraglich ist, inwieweit dem Rechtsanwalt in diesen Fällen ein durchsetzbarer Gebührenanspruch gegen den Mandanten zusteht. Soweit der Mandant "einsichtig" ist und die Gebühren selbst zahlt, gibt es in der Praxis keine Probleme. Allerdings wird es auch Mandanten geben, die einwenden, sie seien davon ausgegangen, der Rechtsschutzversicherer werde die entstehenden Kosten übernehmen; ohne Rechtsschutzdeckung hätten sie keinen Anwalt beauftragt. Fraglich ist, wie sich das Rechtsverhältnis zwischen Mandant und Anwalt in diesen Fällen darstellt.
Rz. 55
Ein Teil der Rechtsprechung vertritt die Auffassung, bei rechtsschutzversicherten Mandanten werde das Mandat im Zweifel lediglich unter der Bedingung der Rechtsschutzdeckung erteilt. Der BGH bevorzugt insoweit eine Auslegung der konkreten Vereinbarungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, geht aber ebenfalls von keinem wirksam zustande gekommenen Anwaltsvertrag aus, wenn keine klare Vereinbarung dahingehend vorliegt, dass trotz Fehlens der Rechtsschutzdeckung eine anwaltliche Tätigkeit – mit persönlichem Kostenrisiko des Versicherungsnehmers – gewünscht ist. Fest steht, dass die Sichtweise des Mandanten nicht vollständig von der Hand zu weisen ist, der z.B. aufgrund Vorlegens seiner Rechtsschutzkarte beim Fehlen einer abweichenden Aufklärung davon ausgeht, die Kosten nicht persönlich tragen zu müssen. Dies gilt umso mehr, als der Rechtsanwalt auf die entsprechende Frage des Mandanten, ob er sich selbst darum kümmern müsse, erklärt hat, er werde die Abwicklung mit dem Rechtsschutzversicherer mit übernehmen, wie es der serviceorientierten Gepflogenheit entspricht. Wenn der Mandant selbst noch nicht einmal in die Rechtsschutzabwicklung eingebunden ist, wird er noch weniger davon ausgehen (müssen), für deren Erfolg mitverantwortlich zu sein. Insbesondere das Argument, dass der Mandant ohne Rechtsschutzdeckung von der Interessenwahrnehmung aus Kostengründen Abstand genommen hätte, ist häufig alles andere als lebensfremd.
Rz. 56
Da auch im Rahmen des Mandatsverhältnisses gem. §§ 133, 157 BGB der Empfängerhorizont (hier des Mandanten) sowie der Grundsatz von Treu und Glauben von entscheidender Bedeutung sind, dürfte daher im Streitfall bei einer Tätigkeit vor Erhalt der Deckungszusage die Gebührenforderung gegen den Mandanten häufig nicht durchsetzbar sein. Selbst wenn von einem unbedingten Mandatsauftrag ausgegangen wird, würde einem Gebührenanspruch die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aufgrund Verletzung entsprechender Hinweispflichten entgegengehalten werden können, wenn dem Mandanten nicht deutlich gemacht wurde, dass trotz seiner Rechtsschutzversicherung persönliche Kosten auf ihn zukommen können. So hat das OLG Celle einen entsprechenden Schadensersatzanspruch aus dem Anwaltsvertrag angenommen, weil ohne hinreichende Aufklärung des Mandanten Klage erhoben wurde, obwohl eine Deckungszusage nur für einen der beiden Klaganträge vorlag. Interessanterweise hat das OLG Celle zur Verjährung dieses Schadensersatzanspruchs ausgeführt, dass deren Beginn nicht bereits mit Einreichung der Klage anzunehmen sei, wenn es aufgrund einer schlüssigen Klage zur Beweisaufnahme kommt. Bei einer nicht von vornherein aussichtslosen Klage sei demgegenüber von einer Schadenentstehung i.S.d. §§ 195, 199 BGB regelmäßig frühestens dann auszugehen, wenn sich der Verlust des Prozesses konkret abzeichne.
Rz. 57
Hinweis
Falls der Rechtsanwalt bereits vor Erteilung der Deckungszusage tätig werden soll, ist eine klare, schriftlich fixierte Vereinbarung mit dem Mandanten für den Fall anzustreben, dass der Rechtsschutzversicherer die Deckung ablehnt. Dies gilt insbesondere bei zur Fristwahrung unaufschiebbaren Rechtshandlungen.
Rz. 58
Ferner sollte der Mandant im Zweifel über den Umfang des Rechtsschutzversicherungsschutzes aufgeklärt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für regelmäßig nicht vom Versicherungsschutz umfasste Kosten, wie Reisekosten des Rechtsanwalts oder Privatgutachterkosten. Ebenso besteht eine Beratungspflicht des Anwalts beim Abschluss eines Vergleichs hinsichtlich des besonderen Risikos, Kosten vom Rechtsschutzversicherer nicht erstattet zu bekommen.