Rz. 235

Nach § 81 VVG ist in der Schadensversicherung der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung (teilweise) frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Dieser gesetzliche Risikoausschluss wurde zugunsten der Versicherungsnehmer in § 4 Abs. 2 a ARB 75 dahin modifiziert, dass vom Versicherungsschutz die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aufgrund von Versicherungsfällen, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig verursacht hat, ausgeschlossen ist, es sei denn, dass es sich um Ordnungswidrigkeiten handelt. Versicherungsfälle, die der Versicherungsnehmer grob fahrlässig verursacht, fallen – in Abweichung von § 81 Abs. 2 VVG – vollständig unter den Versicherungsschutz. Unter der Geltung des § 4 Abs. 2 a ARB 75 war strittig, auf welche Umstände sich der Vorsatz des Versicherungsnehmers über die Tatbestandsmerkmale des Versicherungsfalls hinaus erstrecken müsse. Nach BGH[239] setzt der Risikoausschluss nicht voraus, dass der Vorsatz des Versicherungsnehmers das Bewusstsein umfasse, es werde durch sein Verhalten zu einer Kostenbelastung des Rechtsschutzversicherers kommen. Der Versicherungsnehmer kann also den Versicherungsfall auch dann vorsätzlich herbeigeführt haben, wenn er im Zeitpunkt der Begehung des Versicherungsfalls nicht einmal gewusst hat, rechtsschutzversichert zu sein.

 

Rz. 236

Die Vorsatzregelung gem. § 4 Abs. 2 a ARB 75 wurde durch § 3 Abs. 5 ARB weiter modifiziert: In den Fällen des § 2 a bis h ARB besteht Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in ursächlichem Zusammenhang damit steht, dass der Versicherungsnehmer eine Straftat vorsätzlich begangen hat oder nach der Behauptung eines anderen begangen haben soll, es sei denn, dass der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens deutlich erkennbar unbegründet ist oder sich im Nachhinein als unbegründet erweist. Mit dieser Ausgestaltung des Risikoausschlusses wurde die Rechtsposition der Versicherungsnehmer gegenüber § 4 Abs. 2 a ARB 75 insofern verbessert, als eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls nur dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führt, wenn das vorsätzliche Verhalten des Versicherungsnehmers eine vorsätzliche Straftat darstellt.

 

Beispiele

Beruht die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber darauf, dass der Arbeitnehmer sich wegen Unterschlagung, Untreue etc. strafbar gemacht hat, so besteht nach § 3 Abs. 5 ARB kein Versicherungsschutz. Ein vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers, das nicht strafbar ist, ist aber unschädlich. Erscheint der Arbeitnehmer z.B. unentschuldigt und vorsätzlich nicht zur Arbeit und stützt der Arbeitgeber hierauf die Kündigung, kann der Rechtsschutzversicherer für einen Kündigungsschutzprozess den Rechtsschutz nicht versagen.

 

Rz. 237

Aufgrund der Formulierung, wonach lediglich ein "ursächlicher Zusammenhang" zwischen der vorsätzlichen Straftat und der Interessenwahrnehmung bestehen muss, reicht es aus, dass die Straftat dem Versicherungsfall vorausgeht.[240] Allerdings stellen z.B. vorsätzlich falsche Gesundheitsangaben im Antrag einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung noch keine Straftat (Betrug) dar, wenn bei Abschluss eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers noch nicht absehbar war, so dass der Rechtsschutzversicherer für eine entsprechende spätere Klage im Leistungsfall nach Eintritt einer Berufsunfähigkeit nicht leistungsfrei ist.[241]

 

Rz. 238

Der Risikoausschluss liegt nicht erst dann vor, wenn der Versicherungsnehmer wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Geht der Versicherer aufgrund der ihm vorliegenden Informationen von einer vorsätzlichen Straftat des Versicherungsnehmers aus, kann er den Versicherungsschutz entziehen. Der Versicherungsnehmer kann dann Deckungsklage erheben. Im Deckungsprozess ist der vom Rechtsschutzversicherer erhobene Vorwurf zu prüfen (vgl. hierzu Rdn 69 ff.).

 

Rz. 239

Der Rechtsschutzversicherer, der sich auf einen Risikoausschluss beruft, also auch auf den des § 3 Abs. 5 ARB, muss grundsätzlich dessen Voraussetzungen beweisen.[242] § 3 Abs. 5 ARB sieht aber vor, dass der Versicherungsschutz bereits dann entfällt, wenn der Versicherungsnehmer nach der Behauptung eines anderen eine Straftat vorsätzlich begangen haben soll (es sei denn, dass der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens deutlich erkennbar unbegründet ist oder sich im Nachhinein als unbegründet erweist). Die vom Versicherer lediglich zu beweisende Behauptung einer Straftat des Versicherungsnehmers durch einen anderen liegt häufig vor, nämlich durch den Gegner des zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens, für das Rechtsschutz begehrt wird. Kann der Versicherungsnehmer sodann nicht beweisen, dass der vom Gegner erhobene Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens deutlich erkennbar unbegründet ist, bleibt diese Frage also offen, entfiele trotzdem der Versicherungsschutz. Diese Konsequenz wäre mit der sich aus § 81 VVG ergebenden...

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