Rz. 72
Hat der Rechtsschutzversicherer dem Rechtsanwalt einen Vorschuss bezahlt oder eine Gebührenrechnung ausgeglichen und stellt sich dann heraus, dass die Zahlung zu hoch gewesen ist (etwa bei späterer Streitwertreduzierung), so geht es häufig um die Frage, ob die Pflicht zur Rückzahlung des überzahlten Betrages den Rechtsanwalt oder den Versicherungsnehmer trifft. Die Zahlung durch den Rechtsschutzversicherer erfolgte namens des Versicherungsnehmers, dem somit zunächst der Rückzahlungsanspruch gegen den Rechtsanwalt zusteht (§§ 675, 667 BGB). Der Rückzahlungsanspruch ist aber auf den Rechtsschutzversicherer gem. § 17 Abs. 8 S. 1 ARB (Nr. 4.1.8 ARB 2012; § 20 Abs. 2 S. 1 ARB 75) bzw. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG übergegangen und kann von ihm gegen den Rechtsanwalt geltend gemacht werden (vgl. im Einzelnen Rdn 81 ff.).
Rz. 73
Hat der Rechtsanwalt den Versicherungsnehmer in einem Verkehrsstrafverfahren verteidigt und seine Gebühren vorschussweise oder, nach den Instanzen, abschließend vom Rechtsschutzversicherer erhalten und wurde der Versicherungsnehmer rechtskräftig wegen eines vorsätzlichen Delikts (etwa § 142 StGB) verurteilt, ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Rechtsschutzversicherer Gebühren zurückzuerstatten (§ 2 i aa S. 2 ARB). Der Rechtsanwalt schuldet demgegenüber keine Rückzahlung, da der Gebührenanspruch im Mandatsverhältnis bestehen bleibt und folglich insoweit kein Rückzahlungsanspruch besteht, der auf den Rechtsschutzversicherer übergehen könnte.
Rz. 74
Nach einer in der Vergangenheit weit verbreiteten Meinung soll ggf. auch ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch des Rechtsschutzversicherers unmittelbar gegenüber dem Rechtsanwalt in Betracht kommen, wenn der Rechtsanwalt einem Vorbehalt des Rechtsschutzversicherers späterer Rückforderung bei Zahlung nicht widersprochen hat. Dies wird aus einer seinerzeit zitierten Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1972 hergeleitet.
Rz. 75
Im dortigen Fall hatte der Rechtsanwalt die Kosten einer Strafverteidigung nach Freispruch, jedoch vor Erstattung durch die Staatskasse, gegenüber dem Rechtsschutzversicherer abgerechnet. Der Rechtsschutzversicherer zahlte mit dem Hinweis, dass seine Zahlungen mit Rücksicht auf die Erstattungspflicht der Staatskasse nur als Vorschüsse gelten sollten und er der Rücküberweisung der jeweils geleisteten Beträge "zu gegebener Zeit" entgegensehe. Da letztlich die Erstattungen der Staatskasse niedriger ausfielen als die nach Gebührenrecht angemessenen Gebühren und demgemäß der Rechtsanwalt lediglich die erstatteten Beträge dem Rechtsschutzversicherer zurückerstattete, klagte der Rechtsschutzversicherer gegen den Rechtsanwalt auf Rückzahlung des Restes der von ihm geleisteten Beträge. Der BGH bestätigte zwar die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine vertragliche Rückzahlungsvereinbarung zwischen "den Parteien" zustande gekommen sei. Da der Rechtsschutzversicherer und der Rechtsanwalt Parteien des Rechtsstreits waren, deutet dies tatsächlich auf die Annahme einer unmittelbaren Vertragsbeziehung hin.
Rz. 76
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung jedoch nicht im Ansatz mit dem bei der Rechtsschutzversicherung bestehenden Dreiecksverhältnis auseinandergesetzt. Denn grundsätzlich macht der Rechtsanwalt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer lediglich im Namen des Versicherungsnehmers dessen Freistellungsanspruch geltend, so dass auch die an den Rechtsanwalt gerichteten Erklärungen des Rechtsschutzversicherers – wie insbesondere die Deckungszusage – rechtlich lediglich gegenüber dem Versicherungsnehmer erfolgen. Daher handelt es sich auch bei den unmittelbar vom Rechtsschutzversicherer an den Rechtsanwalt geleisteten Zahlungen rechtlich lediglich um eine Leistung des Rechtsschutzversicherers an seinen Versicherungsnehmer (Freistellung im sog. Deckungsverhältnis). Der Rechtsanwalt erhält zugleich mit der Zahlung des Rechtsschutzversicherers rechtlich eine Leistung seines Mandanten aus dem Anwaltsvertrag (sog. Valutaverhältnis), so dass eine Leistung "über das Dreieck" vorliegt. Vor diesem Hintergrund sind Vorbehalte in der Deckungszusage oder bei Zahlungen des Rechtsschutzversicherers an den Rechtsanwalt grundsätzlich als solche gegenüber dem Versicherungsnehmer zu verstehen, da zum Rechtsanwalt keinerlei Rechtsbeziehung besteht.
Rz. 77
Da der BGH in seiner Entscheidung weder im Ansatz auf dieses grundsätzlich bestehende Dreiecksverhältnis eingegangen ist noch begründet hat, aus welchem Grund bei welchem konkreten Vorbehalt (ausnahmsweise) eine vertragliche Rechtsbeziehung zum Rechtsanwalt entstehen soll, vermag die Entscheidung insoweit nicht zu überzeugen. Für die Annahme einer unmittelbaren Vertragsbeziehung fehlt es bereits an einem Rechtsbindungswillen des Rechtsanwalts im eigenen Namen, da er die gesamte Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer lediglich (als sog. Wissenserklärungsvertreter) im Namen seines Mandanten führt und dementsprechend auch Zahlungen gegenüber dem Rechtsschutzversicherer lediglich in...