Rz. 110
Nur in Ausnahmefällen besteht ein Direktanspruch des Anwalts gegen den Rechtsschutzversicherer. In den übrigen Fällen hat lediglich der Auftraggeber einen Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag. In beiden Fällen hat aber der Rechtsschutzversicherer auch für einen Vorschuss des Anwalts einzustehen. Verlangt der Rechtsanwalt gemäß § 9 von seinem Auftraggeber einen Vorschuss, fordert er damit einen Teil seiner gesetzlichen Vergütung i.S.d. ARB. Der Versicherer ist daher zahlungspflichtig, sobald der Versicherte auf Vorschuss in Anspruch genommen wird.
Rz. 111
Zu beachten ist, dass mit der Vorschussabrechnung der Kostenbefreiungsanspruch des Versicherungsnehmers fällig wird und gleichzeitig die Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG für diesen Teil der Leistung des Rechtsschutzversicherers in Gang gesetzt wird.
Rz. 112
Der Rechtsschutzversicherer, dem der Versicherungsnehmer eine Frist zur Zahlung eines Vorschusses gemäß § 9 auf die Anwaltsvergütung gesetzt hat, gibt Anlass zur Klageerhebung, wenn er nicht innerhalb einer angemessenen Frist gezahlt hat. Die Abgabe einer Deckungszusage ändert am Eintritt des Verzuges nichts.
Rz. 113
Der Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 bedarf es jedenfalls bei Vorschussklagen gegen einen Rechtsschutzversicherer nicht.
Rz. 114
Der Rechtsschutzversicherer muss in der Höhe freistellen, in der der Auftraggeber zum Vorschuss verpflichtet ist, also grundsätzlich in Höhe der Mittelgebühr (siehe Rdn 69) oder auch höher. Auch wenn die Versicherer regelmäßig versuchen, die Höhe der Vorschusszahlung herabzusetzen, besteht dafür keine Grundlage. Insbesondere ist ein Rechtsschutzversicherer nicht berechtigt, die vorschussweise geltend gemachten Gebühren eigenmächtig zu kürzen.
Rz. 115
Ist der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt, schuldet der Rechtsschutzversicherer keine Umsatzsteuerbeträge auf die Vorschüsse. Diese muss der Mandant zahlen.
Rz. 116
Häufig wird von Rechtsschutzversicherern in einer Standardformulierung darum gebeten, von Vorschussanforderungen Abstand zu nehmen. Nach Matzen soll darin ein Garantieversprechen des Versicherers zu sehen sein, später auch dann noch die Kosten des Rechtsanwalts zu übernehmen, wenn die Einstandspflicht nach dem Versicherungsvertrag entfallen ist. Diese Auffassung dürfte zu weit gehen.
Rz. 117
Der Anwalt sollte daher auch bei Bestehen einer Rechtsschutzversicherung tunlichst von seinem Recht auf Vorschuss Gebrauch machen, auch wenn ein Insolvenzrisiko hier nicht drohen kann. Es ist zu Beginn eines Mandates nie abzusehen, wie dieses weiter verläuft. Kündigt der rechtsschutzversicherte Auftraggeber das Mandat und beauftragt er einen anderen Anwalt, so kann er seinen Rechtsschutzversicherer anweisen, nicht mehr an den bisherigen Anwalt zu zahlen, sondern an den neuen. Abgesehen davon können spätere Probleme im Vertragsverhältnis dazu führen, dass der Rechtsschutzversicherer nicht mehr zur Zahlung bereit ist, so z.B. wenn der Versicherungsnehmer im weiteren Verlauf Versicherungsprämien nicht zahlt und der Versicherer die Aufrechnung erklärt. Es kann sich auch im Verlauf des Rechtsstreits herausstellen, dass ein Ausschlussgrund vorlag, der anfangs noch nicht erkennbar war, etwa wegen falscher Angaben des Mandanten. Alles dies spricht dafür, zur Absicherung des Gebührenanspruchs rechtzeitig auch beim Rechtsschutzversicherer einen Vorschuss einzufordern.
Rz. 118
Hinzu kommt, dass der Rechtsschutzversicherer nach älteren Versicherungsbedingungen nicht mehr zur Zahlung verpflichtet sein kann, sobald der Gegner in die Kosten verurteilt worden ist; die Zahlungspflicht setzt danach erst wieder ein, wenn der Gegner erfolglos zur Zahlung aufgefordert worden ist (§ 2 Abs. 3c ARB 1975 = § 5 Abs. 3g ARB 1994/2000). Dies kann dazu führen, dass nach erfolgreichem Abschluss eines Rechtsstreits zunächst einmal der Rechtsschutzversicherer nicht in Anspruch genommen werden kann bis feststeht, ob der Gegner zahlt. Ob der Anwalt dann den Mandanten in Anspruch nehmen kann oder ob er sich nicht entgegenhalten lassen muss, er hätte seine Gebühren rechtzeitig als Vorschuss anfordern können, ist fraglich. Jedenfalls wird der rechtsschutzversicherte Mandant kein Verständnis dafür aufbringen, in diesem Fall mit den Kosten in Vorlage zu treten.
Rz. 119
Unbedingt zur Anforderung eines Vorschusses beim Rechtsschutzversicherer ist zu raten, wenn dem Mandanten ein verkehrsrechtliches Vergehen vorgeworfen wird und eine Verurteilung wegen Vorsatzes möglich erscheint. In diesen Fällen besteht nämlich dann kein Versicherungsschutz mehr, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt hat (§ 2i aa ARB 2010). Gleiches gilt, wenn dem Mandanten die fahrlässige Begehung eines anderen Vergehens vorgeworfen wird, aber die Möglichkeit des Vorwurfs oder einer Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt (§ 2i bb ARB 2010). Der Anwalt kann in die...