Rz. 63
Nicht nur für die Frage, welche Gebühren- und Auslagentatbestände bei der Bemessung des Vorschusses herangezogen werden dürfen, sondern auch bei der Höhe der Gebühren und Auslagen, ist nach dem Voraussichtlichen zu fragen.
Rz. 64
Die strikte Bindung an die voraussichtlichen Gebühren und Auslagen darf nicht zu eng betrachtet werden. Daher darf der Vorschuss durchaus zu einer Übersicherung führen, die verhindert, dass der Anwalt später Restbeträgen "hinterherlaufen" muss. Zuviel berechnete Vorschüsse sind nach Eintritt der Fälligkeit ohnehin umgehend abzurechnen und zurückzuzahlen. Allerdings ist das Augenmaß zu beachten. Sinn des Vorschusses ist es nicht, dass der Anwalt sich übersichert und sich damit faktisch auf Kosten des Mandanten ein Darlehen verschafft.
Rz. 65
Bei festen Wertgebühren ist es insoweit üblich, einen Vorschuss in Höhe der voraussichtlich anfallenden Gebühren anzufordern. Insoweit ist es unbedenklich, in einem Zivilprozess die volle Verfahrens- und Terminsgebühr (1,3 + 1,2; in der Berufung 1,6 + 1,2) anzufordern (zur Einigungsgebühr siehe Rdn 50).
Rz. 66
Steht der Gegenstandswert bereits fest, so ist dieser zugrunde zu legen. Ist noch kein Wert festgesetzt, dann ist dieser zu schätzen. Dabei dürfen durchaus auch zu erwartende Veränderungen berücksichtigt werden, etwa Streitwerterhöhungen durch Klageerweiterungen, Widerklagen, Hilfsaufrechnungen etc. Ein Anspruch nach § 32 oder § 33 auf vorläufige Wertfestsetzung zur Berechnung eines Vorschusses besteht nicht. Der Anwalt muss vielmehr bei fehlender Wertfestsetzung den Wert selbst schätzen.
Rz. 67
Nach zutreffender Ansicht ist der Anwalt bei der Anforderung eines Vorschusses nicht an die vorläufige Wertfestsetzung des Gerichts gebunden. Dies gilt erst recht, soweit man dem Anwalt kein Recht zur Streitwertbeschwerde nach §§ 32, 33 gegen eine vorläufige Wertfestsetzung zubilligt (siehe hierzu § 32 Rdn 41). Lediglich dann, wenn man dem Anwalt zugesteht, gegen eine vorläufige Wertfestsetzung Beschwerde einzulegen, könnte man eine Bindung annehmen. Diese würde sich aber nur auf die anhängigen Gegenstände beziehen, nicht auf weiter gehende zukünftige Anträge und mögliche Veränderungen.
Beispiel: Der Kläger hat eine Forderung in Höhe von 10.000 EUR eingeklagt und erwägt noch eine Klageerweiterung. Der Beklagte verteidigt sich mit einer Hilfsaufrechnung in Höhe von 8.000 EUR. Das Gericht setzt den Streitwert der Klage vorläufig auf 10.000 EUR fest.
Eine Bindungswirkung kann allenfalls hinsichtlich der Klageforderung eintreten. Da sich im Falle einer Entscheidung oder eines Vergleichs über die Hilfsaufrechnungsforderung der Wert um 8.000 EUR erhöhen würde (§ 45 Abs. 3, 4 GKG), darf der Anwalt dies selbstverständlich ebenso beim Vorschuss berücksichtigen wie die zu erwartende Klageerweiterung.
Rz. 68
Bei Satz- oder Betragsrahmengebühren muss sich der Anwalt zum einen an den zu erwartenden Gebühren orientieren und zum anderen an der voraussichtlichen Bemessung der Gebühren (§ 14 Abs. 1).
Rz. 69
Grundsätzlich ist es hier unbedenklich, jeweils von der Mittelgebühr auszugehen.
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Strittig ist, ob das auch in verkehrsrechtlichen Bußgeldsachen gilt. Hier nimmt die Rechtsprechung zum Teil an, es handele sich grundsätzlich um unterdurchschnittliche Angelegenheiten. Daraus wiederum leiten manche Gerichte ab, dass auch nur ein Vorschuss unterhalb der Mittelgebühr gefordert werden könne. Nach zutreffender Ansicht kann hier jedoch auch ein Vorschuss in Höhe der Mittelgebühr angefordert werden. Das gilt auch, wenn der Rechtsschutzversicherer den Mandanten von der Vorschussanforderung freistellen muss (siehe Rdn 110). |
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Bei der Geschäftsgebühr (VV 2300) ist zumindest von der sog. Schwellengebühr (VV 2301) auszugehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Anwalt im Einzelfall nicht auch einen höheren Vorschuss geltend machen kann, etwa wenn sich bereits abzeichnet, dass die Sache ein überdurchschnittliches Ausmaß an Umfang und Schwierigkeit annehmen wird. |
Rz. 70
Unangemessen ist es dagegen, einen Vorschuss im Umfang der Höchstgebühr(en) zu verlangen, wenn sich nicht schon bei Anforderung des Vorschusses abzeichnet, dass der Anwalt später in dieser Höhe auch wird abrechnen können. Ein solcher umfangreicher Sicherungszweck besteht nicht, zumal der Anwalt sich auch hier durch weitere sukzessive Vorschüsse jederzeit erneut absichern kann, wenn er merkt, dass die bisherigen Vorschüsse nicht kostendeckend sein könnten (siehe Rdn 73). Zeichnet sich aber ab, dass die Höchstgebühren angemessen sein werden, etwa in Vergabesachen oder in Arzthaftungssachen, dann können auch entsprechend hohe Vorschüsse verlangt werden.
Rz. 71
Bei Auslagen ist danach zu fragen, in welcher Höhe die Auslagen voraussichtlich anfallen werden. Da es hier in der Regel um geringe Beträge geht, ist eine großzügige Betrachtung angebracht.
Rz. 72
Der Anwalt braucht sich auf Ratenzahlungen nicht einzulassen; gegebenenfalls muss der Auftraggeber Prozess- oder V...