Rz. 381

In der Praxis kommen immer wieder Fälle vor, in denen der Versicherungsnehmer nur für einen Teil seiner Interessenwahrnehmung Versicherungsschutz genießt, so z.B. im Miet-Rechtsschutz bei nicht versicherten vorvertraglichen Nebenkostenforderungen neben versicherten Mängelstreitigkeiten oder im Verkehrsstraf-Rechtsschutz bei Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort neben fahrlässiger Körperverletzung. In all diesen Fällen besteht nur anteilige Deckung.

 

Rz. 382

Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht richtet sich der Umfang der Versicherungsleistung des Rechtsschutzversicherers – ähnlich wie bei der Kostenerstattung nach Teilfreispruch durch die Staatskasse gem. § 467 StPO – nach dem Gewicht und der Bedeutung der verschiedenen Tatteile.[352] Nach neuerer Instanzrechtsprechung soll der Rechtsschutzversicherer, wenn er keine ausscheidbaren, durch die nicht versicherten Delikte zusätzlich entstandenen Kosten nachweisen kann, sämtliche Kosten zu tragen haben.[353] Aufgrund des Wortlauts der Erstattungsklausel in § 2 i aa S. 2 ARB, wonach bei rechtskräftiger Feststellung eines vorsätzlich begangenen Vergehens dem Versicherer die Kosten zu erstatten sind, "die dieser für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen hat" (vgl. dazu Rdn 150 ff.), ist dieser Auslegung jedenfalls für den Bereich der verkehrsrechtlichen Vergehen (§ 2 i aa ARB) nach dem Horizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zuzustimmen.

 

Rz. 383

Das Problem der Teildeckung wurde im Bereich des Zivilrechts bisher kontrovers gesehen.[354] Entscheidend ist letztlich die Frage, ob die Kosten linear aufgeteilt werden oder wem anderenfalls der Degressionsvorteil bei den Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren zugutekommen soll. Nach richtiger Ansicht sollte der Versicherungsnehmer die Kosten vom Rechtsschutzversicherer erstattet erhalten, die bei separater Rechtsverfolgung nur hinsichtlich des versicherten Teils entstanden wären. Dies entspricht zum einen der Rechtslage bei der von der Interessenkonstellation durchaus vergleichbaren Prozesskostenhilfe.[355] Zum anderen ist nicht einzusehen, warum der Rechtsschutzversicherer einen Kostenvorteil dadurch erlangen soll, dass der Versicherungsnehmer noch weitere, nicht versicherte Teile in die Interessenwahrnehmung einbezieht. Vielmehr hat der Versicherungsnehmer entsprechend dem Gedanken der "Differenztheorie" des Quotenvorrechts des § 86 Abs. 1 S. 2 VVG zunächst die so berechneten Kosten des versicherten Teils voll zu erhalten, so dass der Degressionsvorteil zu seinen Gunsten wirkt, der Versicherungsnehmer also nur die durch die Einbeziehung weiterer nicht versicherter Teile entstandenen Mehrkosten zu tragen hat.

 

Rz. 384

Allerdings hat nunmehr der BGH[356] entschieden, dass die Kosten linear aufzuteilen sind. Leider setzt sich der BGH in seiner Entscheidung nicht im Ansatz mit den vorgenannten Aspekten der Parallele zum Prozesskostenhilferecht sowie zum Quotenvorrecht auseinander. Der BGH folgert allein aus § 1 ARB, wonach stets nur "die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten" vom Rechtsschutzversicherer zu übernehmen seien, das zwingende Erfordernis einer linearen Aufteilung. Hierbei wird jedoch übersehen, dass es gerade die erst zu entscheidende Wertungsfrage darstellt, welcher Anteil der tatsächlich entstandenen Gesamtkosten als im Sinne des § 1 ARB für die Interessenwahrnehmung des versicherten Teils erforderlich anzusehen ist.

[352] Näheres bei Harbauer-Stahl, § 2 ARB 2000 Rn 277.
[353] LG Freiburg zfs 2013, 161; AG Schwedt/Oder VersR 2014, 327 m. Anm. Fölsner.
[354] Vgl. z.B. OLG Köln NVersZ 2002, 30 = r+s 2001, 330; LG Düsseldorf r+s 1992, 309; OLG Hamm VersR 1993, 94.
[355] Vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 121 Rn 45 m.w.N.

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