Rz. 111
Nach § 2206 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Testamentsvollstrecker berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen, soweit die Eingehung zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Ferner ist er berechtigt, eine Verbindlichkeit zu einer Verfügung über einen Nachlassgegenstand einzugehen, sofern er zur Verfügung über den Nachlassgegenstand selbst nach § 2205 S. 2 und 3 BGB – vorbehaltlich einschränkender Anordnungen des Erblassers – berechtigt ist, § 2206 Abs. 1 S. 2 BGB. § 2206 Abs. 1 BGB enthält eine an dem Zweck der Verwaltung des Nachlasses ausgerichtete Beschränkung ("kausale Beschränkung") der dem Testamentsvollstrecker zugeteilten Verpflichtungsermächtigung.
Rz. 112
Bei den vom Testamentsvollstrecker eingegangenen Verpflichtungsgeschäften ist jeweils zu unterscheiden, ob es sich um eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand (§ 2206 Abs. 1 S. 2 BGB) handelt oder um ein sonstiges Verpflichtungsgeschäft, durch das der Nachlass verpflichtet wird.
Bei Letzterem ist Maßstab der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB. Erweist sich, dass die Eingehung der Verbindlichkeit objektiv nicht erforderlich war, liegt dennoch eine wirksame Nachlassverbindlichkeit vor, wenn der Vertragspartner des Testamentsvollstreckers annimmt oder ohne Fahrlässigkeit annehmen durfte, die Eingehung sei zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich. Im Streitfall ist der Vertragspartner beweispflichtig dafür, dass er annehmen konnte, der Testamentsvollstrecker habe die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung beachtet, wobei vom Vertragspartner eine eingehende Nachfrage- und Prüfungspflicht nicht zu verlangen ist.
Rz. 113
Bei Verfügungen über Nachlassgegenstände ist die Vertretungsmacht des Testamentsvollstreckers bezüglich des zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfts nicht auf Geschäfte beschränkt, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind und berühren daher grundsätzlich – Ausnahme: kollusives Zusammenwirken zwischen Vertragspartner und Testamentsvollstrecker – nicht die Wirksamkeit der Verpflichtung. Zu beachten ist dabei allerdings, dass bei Grundstücksgeschäften dem Grundbuchamt hinsichtlich der Befugnis des Testamentsvolltreckers zur Verfügung über ein Nachlassgrundstück eine Prüfungskompetenz unter gewissen Umständen zuerkannt wird. Bei Schenkungen des Testamentsvollstreckers liegt aber unter Umständen eine Verfügung eines Nichtberechtigten vor (vgl. Rdn 106). Unabhängig hiervon ist der Testamentsvollstrecker den Erben nach §§ 2216 Abs. 1, 2219 BGB für die Ordnungsmäßigkeit der Maßnahme verantwortlich.
Rz. 114
Anderes gilt nur, soweit der Erblasser den Testamentsvollstrecker über den Rahmen des § 2206 Abs. 1 BGB hinaus ermächtigt hat, dass er in der Eingehung von Verbindlichkeiten nicht beschränkt sein soll, § 2207 BGB. Nach § 2209 S. 2 BGB ist eine solche Erweiterung der Verpflichtungsbefugnis bei Anordnung der Verwaltungsvollstreckung im Zweifel sogar anzunehmen. Ausdrücklich schreibt jedoch § 2207 S. 2 BGB vor, dass für Schenkungen weiterhin der Rahmen des § 2205 Abs. 1 S. 3 BGB maßgeblich bleibt. Dies betrifft jedoch wiederum lediglich die Wirksamkeit der vom Testamentsvollstrecker eingegangenen Verbindlichkeiten. Im Verhältnis zu den Erben ist weiterhin der Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB maßgeblich.
Rz. 115
Aufgrund ggf. auftretender Zweifel über die Reichweite der Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach § 2206 Abs. 1 BGB gibt § 2206 Abs. 2 BGB dem Testamentsvollstrecker die Möglichkeit, vom Erben zu verlangen, dass er in die Eingehung der Verbindlichkeit einwilligt. Der Erbe ist jedoch zur Einwilligung nur dann verpflichtet, wenn die Eingehung der Verbindlichkeit zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Den Anspruch auf Einwilligung kann der Testamentsvollstrecker im Wege der Klage geltend machen (vgl. Muster Rdn 120); ebenso kann der Erbe im umgekehrten Fall auf Unterlassung eines ordnungswidrigen Verpflichtungsgeschäfts klagen (vgl. Muster Rdn 121). Durch die Erteilung der Einwilligung ist der Testamentsvollstrecker gegen Schadensersatzansprüche aus § 2219 BGB geschützt.
Rz. 116
Da durch eine vom Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verpflichtungsbefugnis nach § 2206 Abs. 1 BGB vorgenommene Handlung eine Nachlassverbindlichkeit entsteht (§ 1967 BGB), für die der Erbe persönlich haftet, gewährt das Gesetz selbst für die Fälle der Einwilligung durch den Erben nach § 2206 Abs. 2 BGB die Möglichkeit der Beschränkung der Erbenhaftung.