Rz. 51
Die Ehe von M und F1 wurde geschieden. Aus der Ehe ist das 5-jährige Kind K1 hervorgegangen, das von F1 betreut wird. M ist nunmehr mit F2 verheiratet. Aus dieser Ehe ist das 1-jährige Kind K2 hervorgegangen. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.200 EUR. F1 kann wegen Betreuung des Kindes nur ein Einkommen von monatlich netto 500 EUR erzielen. F2, die das 1-jährige Kind betreut, hat kein Einkommen. F1 verlangt von M Unterhalt.
I. Kindesunterhalt
Rz. 52
Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 verwiesen (siehe § 1 Rdn 1).
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.200 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 2 (1.901 – 2.300 EUR) zur Anwendung. Es sind 4 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von 2 Unterhaltsberechtigten aus. Eine Herabstufung in die Einkommensgruppe 1 (bis 1.900 EUR) ist geboten.
Kind K1 ist 5 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 1. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 396 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 286,50 EUR (396 – 109,50 EUR).
Kind K2 ist 1 Jahr alt, es fällt also in die Altersstufe 1. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 396 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K1 beträgt somit 286,50 EUR (396 – 109,50 EUR).
II. Ehegattenunterhalt der F1
1. Anspruchsgrundlage
Rz. 53
Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn einer der Unterhaltstatbestände erfüllt ist (vgl. das Prüfungsschema "Ehegattenunterhalt" in Fall 16, § 3 Rdn 29 ff.). Im Fallbeispiel soll ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt bestehen.
2. Bedarf der F1
a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf F1
aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?
(1) Kind aus erster Ehe
Rz. 54
Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar der Zahlbetrag.
(2) Kind aus zweiter Ehe
Rz. 55
Es erfolgt kein Vorwegabzug des Kindesunterhalts aus zweiter Ehe. Denn das Kind K2 entstammt der zweiten Ehe (nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren) und hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1).
Der Kindesunterhalt für K2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen (vgl. auch Fall 43, siehe Rdn 1). Es erfolgt somit nur ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts für K1.
2.200 (Einkommen M) – 286,50 (Zahlbetrag Kindesunterhalt für K1) = 1.913,50 EUR
Diese 1.913,50 EUR fließen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts ein.
bb) Kein Vorwegabzug des Ehegattenunterhalts für F2
Rz. 56
F2 ist zwar gleichrangig, doch haben Rangfragen erst bei der Leistungsfähigkeit Bedeutung.
Die Unterhaltsverpflichtung aus der zweiten Ehe hat naturgemäß auch nicht die Lebensverhältnisse der ersten Ehe geprägt.
BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 Rn 32
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Senats eine nacheheliche Entwicklung, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, ohne Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dies gilt grundsätzlich insbesondere für die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten, die erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn 26 m.w.N. und Senatsbeschluss vom 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 Rn 15 m.w.N.).
Hinweis
Bei der Bestimmung des Bedarfs der zweiten Ehefrau wird der Unterhalt für die erste Ehefrau zu berücksichtigen sein (siehe unten Rdn 62 ff.).
Zuvor ist jedoch jedes Einkommen, soweit es aus Erwerbstätigkeit (und nicht bspw. Kapital oder aus Vermietung oder aus einer Altersversorgung) erzielt wird, um 1/10 zu kürzen (sog. Erwerbstätigenbonus).
Einkommen M nach Abzug des Unterhalts für K1: 1.913,50 EUR
Erwerbstätigenbonus: 1.913,50 EUR × 10 % = 191 EUR
Das bedarfsbestimmende Einkommen des M beträgt 1.722,50 EUR (1.913,50 – 191 EUR).
b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1
Rz. 57
Einkommen F1: 500 EUR
Erwerbstätigenbonus: 500 EUR × 10 % = 50 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 500 – 50 EUR = 450 EUR
c) Keine Bestimmung des Bedarfs von F1 nach der Dreiteilungsmethode
Rz. 58
Die Dreiteilungsmethode kommt bei der Bedarfsbestimmung nicht zur Anwendung (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
Der Bedarf von F1 ist also unabhängig vom Unterhaltsanspruch der F2 und unabhängig vom Unterhaltsanspruch des Kindes aus zweiter Ehe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln (vgl. Fall 41, siehe § 12 Rdn 1).
d) Halbteilungsgrundsatz
Rz. 59
Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1.722,50 EUR
Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 450 EUR
Gesamtbedarf: 2.172,50 EUR (1.722,50 + 450 EUR)
Bedarf von F1: ½ von 2.172,50 EUR = 1.086 EUR
3. Ungedeckter Restbedarf (Unterhaltshöhe)
Rz. 60
Unterhaltsanspruch der F1 (= ungedeckter Restbedarf): ermittelter Bedarf abzüglich das um den Erwerbstätigenbonus gekürzte Eigeneinkommen = 1.086 – 450 EUR = 636 EUR
4. Leistungsfähigkeit des M
Rz. 61
M hätte 636 EUR Unterhalt für F1 aufzubringen. Ihm bliebe nach Abzug dieses Unterhalts und des Kindesunterhalts für K1 (286,50 EUR) ein Betrag von 1.277,50 EUR (2.200 – 636 – 286,50 EUR), aus dem auch der Kindesunterhalt für K2 (286,50 EUR) und zudem der Unterhalt für die kinderbetreuende F2 aufzubringen wäre.
a) Weitere Unterhaltspflichten
Rz. 62
Diese weiteren Unterhaltspflichten können Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des M haben (vgl. Fall 43, siehe Rdn 1 ff.).
b) Berücksichtigungsfähige sonstige Unterhaltspflichten des M?
Rz. 63
Eine weitere Unterhal...