Norbert Schneider, Lotte Thiel
A. Überblick
Rz. 1
Verfahren mit Auslandsbezug sind Verfahren auf
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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (§ 107 FamFG), |
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Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen (§§ 108, 109 FamFG), |
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Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen (§ 110 FamFG). |
B. Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen
I. Überblick
Rz. 2
Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Ehebande nach unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Beteiligten festgestellt worden ist, werden nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (§ 107 Abs. 1 S. 1 FamFG). Dies gilt nicht, wenn ein Gericht oder eine Behörde des Staates entschieden hat, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben (§ 107 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Rz. 3
Wird die Feststellung beantragt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (§ 107 Abs. 4 FamFG) oder dass sie nicht vorliegen (§ 107 Abs. 8 i.V.m. Abs. 4 FamFG), entscheidet die Landesjustizverwaltung. Die Entscheidungsbefugnis kann einem oder mehreren OLG-Präsidenten übertragen werden (§ 107 Abs. 3 S. 1 FamFG). Ungeachtet dessen handelt es sich aber auch in diesem Fall um ein verwaltungsrechtliches Verfahren und nicht um ein originäres gerichtliches Verfahren.
Rz. 4
Wird der Antrag nach § 107 Abs. 4 oder Abs. 8 FamFG abgelehnt, kann der Antragsteller beim OLG eine gerichtliche Entscheidung beantragen (§ 107 Abs. 5 FamFG).
Rz. 5
Wird von der Landesjustizverwaltung festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, kann ein Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hatte, ebenfalls beim OLG eine gerichtliche Entscheidung beantragen (§ 107 Abs. 6 FamFG).
Rz. 6
Bei den Anerkennungsverfahren gem. § 107 FamG handelt es sich weder um eine Familienstreitsache noch um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern um ein "Verfahren mit Auslandsbezug", das sowohl im FamFG (Buch 1 Abschnitt 9) als auch im FamGKG (Teil 1 Abschnitt 7) gesondert geregelt ist.
Rz. 7
Auch bei dem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung handelt es sich weder um eine Ehesache noch um eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern vielmehr um ein Verfahren eigener Art, vergleichbar einem verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsverfahren (arg. e § 1 Abs. 1 FamGKG). Das Gesetz bezeichnet sie als "Verfahren mit Auslandsbezug" (siehe Teil 1 Abschnitt 7 FamGKG-KostVerz.).
II. Gegenstandswert
Rz. 8
Da in den gerichtlichen Verfahren Festgebühren erhoben werden (Nrn. 1714 ff. FamGKG-KostVerz.), richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nicht nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG, sondern nach § 23 Abs. 1 S. 2 RVG. Die Wertvorschriften des FamGKG sind entsprechend anzuwenden. Dies folgt für das Anerkennungsverfahren aus § 23 Abs. 1 S. 3 RVG und für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung aus § 23 Abs. 1 S. 2 RVG.
Rz. 9
Da eine besondere Regelung im FamGKG fehlt, ist auf § 42 FamGKG abzustellen. Insoweit dürfte jedoch im Rahmen des § 42 Abs. 2 FamGKG (nicht vermögensrechtliche Streitigkeit) die Vorschrift des § 43 FamGKG, die den Wert einer Ehesache regelt, wertend heranzuziehen sein. So ist auch die frühere Rechtsprechung verfahren, wenngleich die gesetzliche Ausgangssituation seit Inkrafttreten des FamGKG zum 1.9.2009 mit der früheren Rechtslage nicht (mehr) vergleichbar ist (zur Bewertung der Ehesache siehe § 9 Rdn 6 ff. und § 10 Rdn 11 ff.).
Rz. 10
Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit ist im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen.
III. Die Gebühren
1. Verfahren auf Anerkennung
Rz. 11
Verfahren auf Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen sind verwaltungsrechtliche Verfahren. Auch wenn die Entscheidung in den überwiegenden Bundesländern dem Präsidenten eines OLG übertragen ist, so entscheidet er nicht als Spruchkörper, sondern als Verwaltungsbehörde. Es handelt sich also um eine außergerichtliche Tätigkeit nach Teil 2 VV.
Rz. 12
Der Anwalt erhält für die Vertretung des Antragstellers oder eines sonstigen Beteiligten (insbesondere des anderen Ehegatten) eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV.
Beispiel 1: Antrag auf Anerkennung
Der Anwalt ist beauftragt, vor dem OLG-Präsidenten die Anerkennung einer ausländischen Ehescheidung zu beantragen.
Der Anwalt erhält jetzt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Ausgehend von der Mittelgebühr und einem Wert entsprechend der Ehesache von 9.000,00 EUR ist gem. § 42 Abs. 1 FamGKG (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG) wie folgt zu rechnen:
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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760,50 EUR |
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(Wert: 9.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
780,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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148,30 EUR |
Gesamt |
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928,80 EUR |
Rz. 13
Möglich ist, dass der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, etwa beide Ehegatten. Dan...