Dr. iur. Matthias Franzke
Rz. 47
In Wahrnehmung des versicherungsvertraglichen Prozessführungsrechts beauftragen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer eigene Anwälte auch zur Wahrnehmung der Interessen mitverklagter Versicherungsnehmer und versicherter Personen. Dem Anwalt des Haftpflichtversicherers ist es untersagt, im Widerspruch zum Versicherungsnehmer oder anderen versicherten Personen vorzutragen, es handele sich um einen verabredeten Verkehrsunfall.
Rz. 48
Andererseits hat der verklagte Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer ein berechtigtes Interesse daran, ein klageabweisendes Urteil auch gegen seinen Versicherungsnehmer und mitversicherte Personen zu erreichen. Dies folgt aus der Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses für den späteren Deckungsprozess. Wird der Schädiger – ggf. auch aufgrund beabsichtigter Säumnis – verurteilt, könnte der vermeintlich Geschädigte den Deckungsanspruch des Schädigers gegen seinen Haftpflichtversicherer pfänden und anschließend Deckungsklage erheben.
Rz. 49
Höchstrichterlich und instanzgerichtlich anerkannt ist daher, dass es dem Versicherer nicht verwehrt werden kann, sich umfassend zu verteidigen, und zwar auch mit der Behauptung, das schadensbegründende Ereignis sei nicht – wie vom Geschädigten behauptet – unfreiwillig erlitten, sondern von den angeblich Unfallbeteiligten einvernehmlich herbeigeführt worden. Beim Verdacht einer Unfallmanipulation darf daher der neben dem Versicherungsnehmer und/oder dem versicherten Fahrer verklagte Haftpflichtversicherer sowohl als Streitgenosse als auch als Streithelfer nach §§ 61, 69 ZPO seine eigenen Interessen wahrnehmen und dabei abweichend von der unterstützten Partei vortragen.
Muster 13.1: Nebenintervention des mitverklagten Haftpflichtversicherers
Muster 13.1: Nebenintervention des mitverklagten Haftpflichtversicherers
In Sachen _________________________
hat uns die Beklagte zu 2) in diesem Rechtsstreit mit ihrer Vertretung beauftragt. Namens und im Auftrage der Beklagten zu 2) zeigen wir fristgerecht Verteidigungsbereitschaft an.
Ferner treten wir namens und im Auftrage der Beklagten zu 2) dem Beklagten zu 1) als streitgenössische Nebenintervenientin nach §§ 61, 69 ZPO bei und erklären für diesen ebenfalls Verteidigungsbereitschaft.
Aufgrund werthaltiger Beweisanzeichen geht die Beklagte zu 2) davon aus, dass das streitbefangene Unfallereignis von Kläger und Beklagtem zu 1) verabredet wurde, mithin ein manipulierter Verkehrsunfall vorliegt. In diesen Fällen ist allgemein anerkannt, dass der Haftpflichtversicherer zur Wahrung seiner berechtigten Interessen sein Prozessführungsrecht auch mit Wirkung für den Versicherungsnehmer und/oder für den mitverklagten Fahrer wahrnehmen und abweichend von diesem vortragen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.2014 – VI ZR 438/13 – juris; BGH, Urt. v. 15.9.2010 – VI ZR 107/09 – juris; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.4.2019 – 23 U 112/17 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 4.3.2014 – I-9 U 181/13 – juris; OLG Koblenz VersR 2006, 523).
Rz. 50
Die Zulässigkeit der Nebenintervention in Fällen der Unfallmanipulation entfaltet Reflexwirkung in Richtung des mitverklagten Fahrers. Wird vom Haftpflichtversicherer im Prozess der Vorwurf einer Unfallverabredung erhoben, so muss er den Fahrer im Rahmen seiner Rechtsschutzverpflichtung von den Kosten für die Vertretung durch einen eigenen Rechtsanwalt freistellen, auch wenn er ihm als Streithelfer beigetreten ist und sein Prozessbevollmächtigter für beide Klageabweisung beantragt hat. Denn der Versicherte bedarf wegen des erhobenen Betrugsvorwurfs in besonderem Maße des rechtlichen Beistands. Gleiches gilt, soweit der beklagte Fahrer/Halter im Zusammenhang mit dem Einwand einer kollusiven Absprache Prozesskostenhilfe beantragt und seine Rechtsverteidigung auch erfolgversprechend ist.
Rz. 51
Schwierig sind dabei die Fälle, in denen die Klage aus anderen Gründen, z.B. wegen fehlender Aktivlegitimation, abgewiesen wurde. Im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit nach § 82 VVG kann der Versicherungsnehmer verpflichtet sein, den Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens abzuwarten und seine Kosten zunächst gegen den Kläger geltend zu machen.