Rz. 36
Beim Versicherungsvertrag besteht die Hauptpflicht des Kraftfahrtversicherers in der Gewährung des vereinbarten Versicherungsschutzes. Die Hauptpflicht des Versicherungsnehmers besteht hingegen in der Zahlung der vereinbarten Prämie, wobei die rechtzeitige Zahlung der Erstprämie (§ 37 VVG i.V.m. § 9 KfzPflVV) und die rechtzeitige Zahlung von Folgeprämien (§ 38 VVG) zu unterscheiden sind.
I. Erstprämie
Rz. 37
Die erste Prämie ist gem. § 33 VVG nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Versicherungsscheins (Ablauf der Widerrufsfrist) unverzüglich zu zahlen. Grundsätzlich gilt insoweit die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 VVG, d.h. die Zahlung hat "ohne schuldhaftes Zögern" zu erfolgen. Interessant ist allerdings, dass hiervon abweichend in B.2.4 S. 1 AKB 2008 im Zusammenhang mit dem rückwirkenden Wegfall der vorläufigen Deckung der Rechtsbegriff "unverzüglich" ausdrücklich mit "spätestens innerhalb von 14 Tagen" definiert wird. Diese explizit definierte Unverzüglichkeitsfrist dürfte daher im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers für den gesamten Bereich der Kraftfahrtversicherung anzuwenden sein.
Rz. 38
Die Beweislast für die Vorlage und Aushändigung des Versicherungsscheins zum Zwecke der Fälligkeit der Erstprämie obliegt dem Versicherer.
Rz. 39
Nach wie vor gilt gem. § 37 VVG das sog. Einlösungsprinzip, d.h. Versicherungsschutz besteht grundsätzlich nur bei rechtzeitiger Zahlung der ersten Prämie. Im Falle eines Zahlungsverzuges des Versicherungsnehmers mit der Erstprämie sind als Rechtsfolgen das Rücktrittsrecht des Versicherers und die Leistungsfreiheit zu unterscheiden:
Rz. 40
Der Versicherer hat gem. § 37 Abs. 1 VVG ein Rücktrittsrecht vom Ablauf der Zahlungsfrist an bis zur (sei es auch verspäteten) Zahlung. Die bisherige Kündigungsfiktion des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. (Unterlassen der gerichtlichen Geltendmachung der Erstprämie innerhalb von drei Monaten seit Fälligkeit gilt als Kündigung) ist weggefallen.
Rz. 41
Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalles die fällige Prämie nicht gezahlt ist und der Versicherungsnehmer durch eine gesonderte Mitteilung in Textform oder auffälligen Hinweis im Versicherungsschein über die Folgen der Nichtzahlung belehrt wurde (§ 37 Abs. 2 S. 2 VVG).
Rz. 42
Neu ist, dass sowohl das Rücktrittsrecht als auch die Folge der Leistungsfreiheit nur im Falle eines Verschuldens des Versicherungsnehmers eingreifen. Allerdings wird das Verschulden gesetzlich vermutet, sodass der Versicherungsnehmer sich vom Vertretenmüssen zu entlasten hat (§ 37 Abs. 1 letzter Hs. bzw. Abs. 2 S. 1 letzter Hs. VVG).
Rz. 43
Ein fehlendes Verschulden kann durchaus bei Unklarheiten bezogen auf die richtige Berechnung der Prämie in Betracht kommen, z.B. wenn dem Versicherungsnehmer aufgrund einer unklaren Beitragsrechnung auf telefonische Nachfrage eine Klärung versprochen wird mit dem Hinweis, er solle zunächst nicht zahlen, sondern eine neue Beitragsrechnung abwarten.
II. Folgeprämie
Rz. 44
Grundsätzlich ist bei Versicherungsverträgen die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt, sodass bei Nichtzahlung einer fälligen Prämie gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzug eintritt, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Allerdings entfällt der Versicherungsschutz nicht bereits mit dem Verzug hinsichtlich einer Folgeprämie, sondern der Versicherer hat lediglich die Möglichkeit, gem. § 38 VVG eine sog. qualifizierte Mahnung auszusprechen. Dadurch sollen dem Versicherungsnehmer die Folgen der Versäumung einer rechtzeitigen Prämienzahlung noch einmal zwingend vor Augen gehalten werden. Die qualifizierte Mahnung kann der Versicherer auf Kosten des Versicherungsnehmers aussprechen. Sie verlangt gem. § 38 Abs. 1 VVG die Bestimmung einer mindestens zweiwöchigen Zahlungsfrist in Textform unter Angabe der rückständigen Prämie, Zinsen und Kosten.
Rz. 45
Der Rückstand ist exakt und korrekt aufzuschlüsseln, sodass bereits eine unzutreffende Abweichung im Bereich weniger Cent zur Unwirksamkeit der qualifizierten Mahnung führt (BGH VersR 1992, 1501). Die Aufschlüsselung und die Belehrung über die Rechtsfolgen haben gesondert für die verschiedenen Versicherungsarten zu erfolgen (also insbesondere KH- und Kaskoversicherung), damit der Versicherungsnehmer sich gezielt nur den KH-Versicherungsschutz erhalten kann (OLG Frankfurt VersR 1998, 356). Die Belehrung hat auch darauf hinzuweisen, dass gem. § 38 Abs. 2 VVG eine verspätete Zahlung den Versicherungsschutz wieder eintreten lässt. Die Belehrung muss so eindeutig und unmissverständlich sein, dass der Versicherte ohne Zeitverlust tätig werden kann, um sich seinen Versicherungsschutz zu erhalten. Eine Belehrung auf der Rückseite eines Mahnschreibens verfehlt diesen Zweck und führt zur Unwirksamkeit der Mahnung (BGH VersR 1999, 1525).
Rz. 46
Die Rechtsfolgen des Fristablaufs einer nach vorgenannten Grundsätzen ordnungsgemäßen qualifizierten Mahnung sind:
▪ |
Leistungsfreiheit des Versicherers bei Eintritt des Versicherungsfalles während des Verzuges mit der Prämie, den Zinsen oder den... |