Rz. 1

Bei der Beschlussfassung über den Zuschlag ist das Gericht an eine vorherige Entscheidung nicht mehr gebunden, § 79 ZVG. Es hat daher die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens zu überprüfen. Von Amts wegen ist der Zuschlag aus den Gründen des § 83 Nr. 1 bis 8 ZVG zu versagen. Hierbei sind die Gründe der Nr. 1 bis 5 heilbar, § 84 Abs. 1 ZVG. Ein mit der Bestellung eines Erbbaurechts verfolgter Zweck i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG kann auch die Erzielung eines wertgesicherten Erbbauzinses sein. Ist bei der Zwangsversteigerung eines Erbbaurechts der Meistbietende nicht bereit, die im Erbbaurechtsvertrag enthaltene schuldrechtliche Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Anpassung des Erbbauzinses zu übernehmen, kann der Grundstückseigentümer seine Zustimmung zur Erteilung des Zuschlags verweigern, wenn die Zwangsversteigerung nicht zum Erlöschen einer Erbbauzinsreallast geführt hat.[1]

 

Rz. 2

Zwingend zur Zuschlagsversagung – ohne Heilungsmöglichkeit – führen die Tatsachen, dass die Versteigerung aus einem sonstigen Grunde unzulässig ist[2] oder die Terminsveröffentlichung unterlassen, verspätet oder fehlerhaft war oder die Bietzeit von einer halben Stunde nicht eingehalten wurde, §§ 83 Nr. 6, 7 ZVG. Zu den "sonstigen Gründen" gehören insbes. die Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht, ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens oder die Gewährung effektiven Rechtsschutzes bzw. die Verletzung des rechtlichen Gehörs.[3]

 

Rz. 3

Die Frage der Prozessfähigkeit hat den BGH zuletzt noch Jahre nach einer Zuschlagsentscheidung beschäftigt. Gegen einen rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens analog §§ 578 ff. ZPO statthaft, so der BGH, wenn es sich bei dem Wiederaufnahmegrund um einen Zuschlagsversagungsgrund i.S.v. § 100 ZVG handelt (hier: Nichtigkeitsgrund gem. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).[4] Nach dem Sachverhalt ordnete das Vollstreckungsgericht im Oktober 2010 die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes an. Der Schuldner erteilte am 11.6.2012 seiner Ehefrau eine Vertretungsvollmacht. In dem Versteigerungstermin vom 20.6.2012 erhielt der Beteiligte zu 4 den Zuschlag. Die dagegen am 4.7.2012 von dem Schuldner, vertreten durch seine Ehefrau, eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG mit Beschl. v. 22.8.2012 zurück. Gestützt darauf, während des gesamten Zwangsversteigerungsverfahrens unerkannt geschäfts- und prozessunfähig gewesen zu sein, hat der Schuldner am 22.8.2017 bei dem LG die Wiederaufnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens im Beschlussverfahren analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt. Das LG hat den Antrag als nicht statthaft verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Schuldner sein Ziel der Wiederaufnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens weiter. Der BGH gibt dem Recht. Nach Ansicht des BGH war sich der Gesetzgeber bewusst, dass es Fälle gibt, in denen der Wiederaufnahmegrund bei Zuschlagserteilung zunächst nicht erkannt und deshalb keine Beschwerde eingelegt wird. Für solche Fälle regelt § 569 Abs. 1 S. 3 ZPO, dass die Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss zulässigerweise auch noch nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt werden kann. Nicht geregelt ist hingegen der Fall, dass der Wiederaufnahmegrund zwar bei Erteilung des Zuschlags vorgelegen hat, aber erst nach der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss erkannt wird. Wann der Nichtigkeitsgrund erkannt wird, ist zufällig. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht (so der BGH).

 

Rz. 4

Überträgt man dies auf den vorliegenden Fall, mutet es schon ein wenig fragwürdig an. Der Schuldner beruft sich darauf, dass er während des gesamten Zwangsversteigerungsverfahrens geschäfts- und prozessunfähig gewesen ist, also von Oktober 2010 bis Juni 2012. Danach lief das Beschwerdeverfahren vor dem LG bis 22.8.2012. Und dieser Zustand der Geschäfts- und Prozessunfähigkeit war dem Schuldner unbekannt. Auf den Tag genau fünf Jahre später am 22.8.2017 fällt dem Schuldner dieser Zustand auf und er beantragt das Wiederaufnahmeverfahren. Und das alles wird, wie der BGH selbst ausführt, eher rein zufällig erkannt und vom Gesetzgeber nicht bedacht. Letztlich dürfte diese Entscheidung auch auf eine Belehrungspflicht im Zwangsversteigerungstermin hinauslaufen. Vor Beginn der Bietzeit müsste das Vollstreckungsgericht künftig darauf hinweisen, dass der Zuschlag noch bis zu fünf Jahre danach angefochten oder das Verfahren neu aufgerollt werden kann, wobei die Gründe eher zufällig erkannt werden können. Das Versteigerungsverfahren wird damit zu einem unkalkulierbaren Risiko.

 

Rz. 5

Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Schuldner im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung prozess- und geschäftsfähig war. Fehlt es hieran, war die Zuschlagserteilung unzulässig und ist durch das Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren aufzuheben und der Zuschlag zu versagen. Eine Heilung durch Genehmigung des Betroffenen oder seine...

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