Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 9
Im Verbund mit dem Ausspruch der Ehescheidung ergeht die gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich durch einen Feststellungsbeschluss. Diese Entscheidung des Gerichts ist nach § 58 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar und erwächst ggf. in Rechtskraft.
Rz. 10
Der Verfahrensbevollmächtige muss die Entscheidung innerhalb der Rechtsmittelfrist auf ihre Richtigkeit überprüfen:
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Ist die Ehezeit richtig berücksichtigt worden? |
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Sind alle Anrechte berücksichtigt? |
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Sind alle Anrechte korrekt ausgeglichen worden? |
Rz. 11
Praxistipp:
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Werden Fehler in der Entscheidung festgestellt, so ist zuerst zu prüfen, ob sich dies nicht durch einen Antrag auf einen gerichtlichen Berichtigungsbeschluss beseitigen lassen. Dies ist z.B. bei einem einfachen Schreibfehler, einem "Zahlendreher" oder einem falsch übernommenen Datum, das sich nicht auf den Inhalt der Berechnung ausgewirkt hat, möglich. |
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Ist dieser Weg nicht gangbar, muss Beschwerde eingelegt werden. |
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Nach h.M. besteht bei Beschwerde gegen Versorgungsausgleichs-Entscheidungen im Verbund Anwaltszwang! |
Rz. 12
Auch der Ausschluss einer Anwartschaft aus dem Versorgungsausgleich (siehe Rdn 50) wird erst durch eine gerichtliche rechtsverbindliche Feststellung der Nichtdurchführbarkeit des Versorgungsausgleichs (bzgl. des ausgeschlossenen Anrechts) wirksam. Eine Vereinbarung allein hat keine verfahrensbeendigende Wirkung, sondern erst die (konstitutive) gerichtliche Entscheidung mit deren Rechtskraft.
Rz. 13
Bei einer Modifizierung des Versorgungsausgleichs z.B. durch Änderung der Ausgleichsquote bedarf es zudem einer rechtsgestaltenden Entscheidung des Gerichts für den Restausgleich.
I. Rechtliche Grundlagen der Entscheidung über den Versorgungsausgleich
Rz. 14
Zwischen den geschiedenen Ehegatten findet nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes ein Ausgleich von im In- oder Ausland bestehenden Anrechten statt (§ 1587 BGB)
Nach § 1 VersAusglG werden alle in der Ehezeit erworbenen Anrechte der Eheleute auf Alters- oder Invaliditätsversorgung hälftig geteilt.
1. Ehezeit
Rz. 15
Ehezeit ist nach § 3 Abs. 1 VersAusglG der Zeitraum
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vom ersten Tag des Monates, in dem die Ehe geschlossen worden ist bis zum |
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letzten Tag des Monates, der der Zustellung des Scheidungsantrages vorausgeht. |
Beispiel:
Die Ehe ist am 23.5.1991 geschlossen worden und der Scheidungsantrag wurde am 14.5.2021 zugestellt.
Gesetzliche Ehezeit für den Versorgungsausgleich ist hier der Zeitraum vom 1.5.1991 bis zum 30.4.2021.
Der Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags bestimmt damit das Ehezeitende.
Rz. 16
Praxistipp:
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Sind mehrere Verfahren anhängig gemacht worden, so ist regelmäßig der älteste noch rechtshängige Antrag maßgeblich. Auch wenn es zur Aussetzung oder zum tatsächlichen Stillstand des Scheidungsverfahrens kommt, die Ehegatten aber weiterhin getrennt leben, kann nach Fortsetzung des Verfahrens nicht – aus Billigkeitsgründen – von einem späteren Ehezeitende ausgegangen werden. |
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Dies gilt auch, wenn das Verfahren jahrelang ruht, also nicht betrieben wird. |
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Das Ehezeitende wird nur dann nach der Rechtshängigkeit des später eingeleiteten Scheidungsverfahrens bestimmt, wenn die Rechtshängigkeit des früheren Verfahrens durch wirksame Rücknahme des Antrags nach § 269 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO beendet worden ist, bevor der gegnerische Antrag zugestellt und damit rechtshängig wurde. |
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Prüfen Sie immer genau vor Einreichung eines Scheidungsantrags, ob nicht bereits zu früheren Zeiten ein Scheidungsverfahren zwischen den Eheleuten anhängig war. |
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Ist dies der Fall, prüfen Sie sorgfältig – am besten durch Akteneinsicht – ob dieses alte Verfahren wirksam durch korrekte Rücknahme beendet worden ist. Dazu müssen die Voraussetzungen des § 269 ZPO erfüllt sein. Die Rücknahmeerklärung muss nicht nur zu den Gerichtsakten gelangt sein, sondern dem Verfahrensgegner auch ordnungsgemäß zugestellt worden sein (§ 269 Abs. 2 Satz 3 ZPO). |
2. Ehezeitanteil
Rz. 17
Der Ehezeitanteil wird vom Versorgungsträger jeweils in der für das auszugleichende Anrecht nach § 5 Abs. 1 VersAusglG maßgebenden Bezugsgröße berechnet.
3. Ausgleichswert
Rz. 18
Der Ausgleichswert ist nach § 1 Abs. 2 VersAusglG die Hälfte des Werts des Ehezeitanteils eines Anrechts. Dabei handelt es sich – vorbehaltlich des Abzugs anteiliger Teilungskosten nach § 13 VersAusglG – um den Wert, der zugunsten des Ausgleichsberechtigten übertragen wird.
Rz. 19
Der Ausgleichswert hat u.a. auch Bedeutung für die möglichen Ausgleichsformen. Denn von der Höhe dieses Wertes hängt u.a. ab, ob der Versorgungsträger den Ausgleich des Anrechts im Wege der ext...