A. Allgemeines
Rz. 1
Unter "nichtehelichem Lebenspartner" wird hier der/die Partner/in verstanden, mit dem/der keine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet wurde. Letztere sind gem. § 10 LPartG Ehegatten gleichgestellt. Ein gesetzliches Erbrecht bzgl. Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht nach deutschen Recht nicht. Eine analoge Anwendung des Ehegattenerbrechts gemäß §§ 1371 Abs. 1, 1931 BGB scheidet wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG aus. In Betracht kommt allenfalls ein gesetzliches Erbrecht nichtehelicher Lebenspartner nach ausländischem Erbrecht, was bei einem Auslandsbezug des Falles genau zu prüfen sein wird.
In diesem Kapitel wird nicht die eingetragene Lebenspartnerschaft behandelt.
B. Die Verfügung zugunsten des nichtehelichen Lebenspartners
Rz. 2
Ein Erbrecht für den nichtehelichen Partner kann nach deutschem Recht nur im Wege einer letztwilligen Verfügung geschaffen werden. Hierbei kommt nur ein einseitiges Testament oder aber ein Erbvertrag in Betracht. Ein gemeinschaftliches Testament ist nur unter Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern möglich. Falls trotzdem ein gemeinschaftliches Testament errichtet wurde, so ist allenfalls eine Umdeutung in zwei Einzeltestamente in Erwägung zu ziehen. Hier ist jedoch problematisch, dass ein eigenhändiges Einzeltestament insgesamt gemäß § 2247 Abs. 1 BGB handschriftlich errichtet werden muss, das gemeinschaftliche Testament in der Regel aber handschriftlich nur von einem Partner stammt und vom anderen lediglich mitunterschrieben wurde (§ 2267 Abs. 1 BGB), so dass das Testament desjenigen Partners, der den Testamentstext nicht selbst geschrieben hat, gem. § 125 BGB formunwirksam ist.
C. Prüfung der Bindung durch frühere letztwillige Verfügungen/Prüfung von Pflichtteilen
Rz. 3
Insbesondere bei nichtehelichen Lebenspartnerschaften, an denen verwitwete Partner beteiligt sind, ist zu prüfen, ob einer der Partner durch bindendes gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag mit einem verstorbenen Ehegatten gebunden ist. In diesen Fällen sind lebzeitige Zuwendungen an den neuen Partner im sog. lebzeitigen Eigeninteresse zur Versorgung des neuen Partners aber auch zur Sicherung der Pflege des testamentarisch gebundenen Partners zu prüfen. Die sich aus den §§ 2286, 2287 BGB ergebenden Probleme wird der Rechtsberater genau zu prüfen haben. Auch sollte ggf. die Möglichkeit einer Anfechtung früherer, bindender Verfügungen gem. § 2079 BGB bei einer Eheschließung erwogen werden.
Von Bedeutung sind auch Pflichtteilsrechte anderer Beteiligter. Neben den allgemeinen Empfehlungen zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen ist in Fällen der Absicherung eines nichtehelichen Lebenspartners zu überlegen, ob die Eingehung einer Ehe und die damit verbundene Reduzierung anderweitiger Pflichtteilsansprüche (je nach Güterstand der Ehe) in Betracht kommen.
D. Sittenwidrigkeit
Rz. 4
Hat der Anwalt die Aufgabe, die Frage des Erbrechts des nichtehelichen Partners zu prüfen, so ist auch eine etwaige Sittenwidrigkeit zu prüfen, wenn der Erblasser verheiratet ist und/oder eheliche leibliche Kinder hat. Im gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten und der gemeinschaftlichen Kinder sieht die Rechtsprechung eine grundlegende rechtliche und sittliche Wertung.
Rz. 5
Nach der Rechtsprechung ist für eine eventuelle Sittenwidrigkeit eines sog. "Geliebtentestaments" der Verfügung von Todes wegen deren Gesamtcharakter maßgebend, wobei die bloße Tatsache, dass zu dem Bedachten eine außereheliche Beziehung bestand, keine Sittenwidrigkeit der Verfügung rechtfertigt. Berücksichtigt werden müssen in erster Linie Inhalt und Wirkungen der Verfügung, deren Beweggrund und der verfolgte Zweck. Es kommt außerdem entscheidend auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Verfügung für den Bedachten einerseits und für den Zurückgesetzten andererseits an. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, aus welcher Familie das Vermögen stammt.
Rz. 6
Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung kann daher nur in besonders hervorstechenden, d.h. schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Ob an der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die besondere Verwerflichkeit einer Zuwendung wegen ausschließlich sexueller Motive im Hinblick auf die zwischenzeitlich vom Gesetzgeber im Rahmen des Prostitutionsschutzgesetzes getroffenen Wertungen festgehalten werden kann, erscheint fraglich. Nicht zuletzt indiziert die Tatsache, dass es in den zurückliegenden 10 Jahren zu keiner ober- oder höchstgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex gekommen ist, dass letztwillige Zuwendungen zugunsten von Lebensfährten in der Regel nicht mehr an § 138 BGB scheitern.