Walter Krug, Dr. Christopher Riedel
Rz. 1
Unter einem Vermächtnis versteht man im Gegensatz zur Erbeinsetzung die Zuwendung eines Vermögensvorteils in der Weise, dass der Vermächtnisnehmer nicht durch Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten auf Übertragung des zugewandten Gegenstandes oder Rechtes erhält.
Rz. 2
Da der Vermächtnisnehmer nicht Gesamtrechtsnachfolger i.S.v. § 1922 BGB wird, können ohne Weiteres auch einzelne Gegenstände, beispielsweise Immobilien, den Gegenstand von Vermächtnissen bilden. Ebenso ist es auch möglich, durch Vermächtnis ein verschiedene Gegenstände umfassendes Vermögen (ggf. sogar den gesamten Nachlass – Universalvermächtnis) oder einen bestimmten Bruchteil davon zuzuwenden.
Rz. 3
Bei der Testamentsauslegung bereitet die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung mitunter erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere dann, wenn der Erblasser bestimmte Gegenstände zuwendet, indem er z.B. anordnet, dass sein Wohnhaus seinem Neffen zufallen, sein Bankguthaben aber seine Nichte bekommen solle. Hier kann sowohl eine vermächtnisweise Zuwendung unter Beibehaltung der gesetzlichen Erbfolge gewollt sein, als auch eine Erbeinsetzung im Verhältnis der Werte der zugewandten Gegenstände (zueinander), verbunden mit einer Teilungsanordnung. Mitunter kann sogar in der Zuwendung eines einzigen Gegenstandes eine (Allein-)Erbeinsetzung zu sehen sein.
Rz. 4
Vor diesem Hintergrund sollte der Erblasser unbedingt dafür sorgen, dass seine letztwillige Verfügung möglichst eindeutig formuliert ist. Das bedeutet in der Praxis nicht nur, die juristisch richtigen Begriffe exakt zu verwenden, sondern auch, diese bzw. ihre Bedeutung im konkreten Kontext zusätzlich noch zu erläutern.
Rz. 5
Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein. Das Vermächtnis fällt in der Regel mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB), seine Erfüllung kann jedoch durch aufschiebende Bedingung bzw. Befristung auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden (vgl. § 2177 BGB). In der Zwischenzeit entsteht zugunsten des Bedachten ein Anwartschaftsrecht. Da nach dem Eintritt des Erbfalls in den meisten Fällen bis zur Erteilung des Erbscheins einige Monate vergehen, macht es Sinn, die Fälligkeit der Vermächtnisse zinslos auf drei bis sechs Monate zu stunden.
Rz. 6
Die Möglichkeit, dass durch ein Vermächtnis die Zuweisung eines einzelnen Gegenstandes erfolgen kann, führt zwangsläufig zu der Frage, welche Rechtsposition der Vermächtnisnehmer haben soll, wenn sich der vermachte Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass befindet. Zwar gibt es keinen allgemeinen Grundsatz wirtschaftlicher Surrogation beim Vermächtnis, aber im Wege ergänzender (hypothetischer) Auslegung kann der letztwilligen Verfügung u.U. der Erblasserwille entnommen werden, dass der bedachte Vermächtnisnehmer den wertmäßig noch im Nachlass befindlichen Erlös für den veräußerten Gegenstand erhalten soll, sofern der vermachte Gegenstand vom Erblasser willentlich veräußert wurde.
Bei der Anordnung von Vermächtnissen gilt es, das Problem des Wegfalls oder Untergangs des Vermächtnisgegenstandes bis zum Eintritt des Erbfalls besonders zu berücksichtigen (vgl. Rdn 44 ff.).
Das Vermächtnis eignet sich insbesondere für die Fälle, in denen ein gesetzlicher Erbe zwar seinen Anteil am Nachlass erhalten, aber ansonsten aus der auf Einvernehmen angewiesenen Erbengemeinschaft (§§ 2038 Abs. 1, 2040 BGB) ausgeschlossen sein soll. Dies wird besonders bedeutsam bei der Vererbung eines Unternehmens oder einer Unternehmensbeteiligung.
Rz. 7
Vermächtnisnehmer können alle natürlichen und/oder juristischen Personen sein. Grundsätzlich muss der Vermächtnisnehmer im Zeitpunkt des Anfalls (rechtlich) "vorhanden" sein. Ein Vermächtnis zugunsten eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Begünstigten ist im Zweifel unwirksam (§ 2160 BGB). Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Erblasser keine abweichenden Anordnungen getroffen, insbesondere keinen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt hat. Insoweit gelten die Auslegungsregelungen der §§ 2190, 2097–2099 BGB. Nur ausnahmsweise und auch nur dann, wenn ein Vermächtnisgegenstand mehreren Vermächtnisnehmern gemeinsam zugewendet wurde, kommt eine Anwachsung nach § 2158 BGB in Betracht.