Ingrid Groß, Dr. iur. Thomas Eder
A. Die Beratungshilfe, § 44 RVG, Nrn. 2500, 2501, 2503, 2508 VV RVG
I. Der Mandant und die Staatskasse
1. Die Bewilligung der Beratungshilfe
Rz. 1
Die Gebühren, die dem anwaltlichen Vertreter im Rahmen der Beratungshilfe zustehen, fallen geringer aus als die Vergütung des Anwalts nach den entsprechenden Gebührensätzen des RVG. Abhängig ist die Bewilligung der Beratungshilfe unter anderem von der wirtschaftlichen Situation des Mandanten (Bedürftigkeit). Deshalb verwendete man früher zur Unterscheidung die Begriffe "Armenrecht" für Beratungs- und/oder Verfahrenskostenhilfe und "Reichenrecht" für die Vergütung des Anwalts eines nicht bedürftigen Mandanten nach den jeweiligen Vergütungsvorschriften (Wahlanwaltsvergütung).
a) Voraussetzungen der Bewilligung
Rz. 2
Der Antragsteller muss bedürftig sein i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 BerHG, d.h. es müssten ihm Verfahrenskostenhilfe ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren sein. Auf das Einkommen des Ehegatten kommt es nicht an, auch § 1360a BGB ist nicht heranzuziehen.
Der Antrag darf nicht i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 "mutwillig" sein, weder im Hinblick auf das verfolgte Ziel noch im Hinblick darauf, dass er Beratungshilfe beantragt (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 2 Abs. 1 S. 2 BerHG). Mit dieser Neufassung des Gesetzes seit dem 31.8.2015 soll verhindert werden, dass der Anwalt die Korrespondenz mit dem Gegner übernimmt und dadurch von der Gebühr nach Nr. 2501 VV RVG zur Gebühr nach Nr. 2503 VV RVG gelangt, obwohl der Mandant diese Korrespondenz auch selbst hätte führen können. "Erforderlich ist die Vertretung dann, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn, seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann" (§ 1 BerHG). I.d.R. soll anwaltliche Vertretung dann nicht erforderlich sein, "wenn nur noch ein einfaches Schreiben mit einer Tatsachenmitteilung zu fertigen ist, ein Widerspruch ohne Begründung einzulegen oder eine einfache Kündigung zu formulieren ist". Im Familienrecht dürfte diese Neufassung nur ausnahmsweise von Bedeutung sein: Es ist schon nicht einfach, eine unterhaltshaltrechtliche Inverzugsetzung wirksam zu formulieren; ebenso wenig ist es einfach, ein ordnungsgemäßes Auskunftsverlangen samt Belegvorlage im Güterrecht zu formulieren. Außer von einfachen Mahnschreiben dürfte dem Mandanten selbst kaum eine Korrespondenz zumutbar sein.
b) Weitere Voraussetzungen für die Bewilligung
Rz. 3
Der Antragsteller muss Erklärung und Belege vorlegen (§ 4 Abs. 2, Abs. 3 BerHG); er muss versichern, dass er in derselben Angelegenheit Beratungshilfe bisher weder gewährt noch abgelehnt bekommen hat und auch kein gerichtliches Verfahren anhängig ist oder war. Das bedeutet, dass die Beratungshilfe nicht für die Einholung einer zweiten Meinung gewährt wird; die Erholung einer Auskunft über die Aussichten einer Beschwerde steht dagegen der Bewilligung nicht entgegen, weil sich diese Frage auf eine neue Angelegenheit i.S.d. § 17 Nr. 1 RVG bezieht.
2. Abläufe in der Praxis
a) Die vorherige Antragstellung
Rz. 4
Der Mandant legt den bereits eingeholten Berechtigungsschein bei Beginn der ersten Inanspruchnahme des Anwalts vor, der dann, wenn er nach Ende der Tätigkeit gegenüber der Staatskasse abrechnet, dieses Papier mit einreicht.
b) Die nachträgliche Antragstellung
Rz. 5
Der Mandant kommt ohne den Schein zum Anwalt. Es wird nachträglich die Beratungshilfe beantragt (§ 6 Abs. 2 BerHG); der Anwalt kann die gleichen Angaben und Belege fordern, die sonst bei Gericht abzugeben sind (§ 4 Abs. 6 BerHG). Zu beachten ist die neue Frist von 4 Wochen (nicht etwa 1 Monat!); sie beginnt nicht etwa mit Ende der Tätigkeit des Anwalts, sondern mit Beginn der Beratungshilfetätigkeit (§ 6 Abs. 2 S. 2 BerHG). Der Beginn dieser Frist ist nicht die Auftragserteilung! Diese 4-Wochen-Frist ist eine Ausschlussfrist.