Rz. 76

Der Kläger kann die Klage ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum "Beginn der ersten mündlichen Verhandlung" zurücknehmen (§ 269 Abs. 1 ZPO). Mit Beginn der mündlichen Verhandlung ist nicht der tatsächliche Beginn gemeint, der mit dem Aufruf der Sache und dem Feststellen der Präsenz der Parteien beginnt, und an den sich regelmäßig die Erörterung des Sach- und Streitstandes vor dem Gericht anschließt, vielmehr ist maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verhandlung im Rechtssinne das Stellen der Sachanträge, was regelmäßig, wenn es dann erfolgt ist, auch von dem Gericht zu Protokoll für die Parteien und deren Rechtsanwälte ersichtlich festgehalten wird. Willigt nach diesem Zeitpunkt der Beklagte in die Klagerücknahme nicht ein und verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Anspruch nicht weiter, sondern nur den geänderten, muss die ursprüngliche Klage durch Urteil abgewiesen werden. In solchen Fällen dürfte es sich in der Regel aus Kostengründen empfehlen, Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen, indem man selbst keine Anträge stellt, "nicht auftritt". Die Klagerücknahme ist – die Einwilligung des Beklagten vorausgesetzt – noch bis zur Rechtskraft eines ergangenen Urteils möglich, ein noch nicht rechtskräftiges Urteil gilt dann als nicht erlassen.

 

Beispiel:

A verklagt B auf Zahlung von 10.000,00 EUR und gewinnt in erster Instanz. Um nicht einen guten Kunden zu verlieren, einigt sich A mit B spät, aber nichts desto trotz noch nach Urteilserlass erster Instanz gütlich innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung. Wegen dieser Einigung nimmt A innerhalb der Berufungseinlegungsfrist die Klage zurück. Obwohl ein Urteil bereits ergangen ist, ist dies möglich, solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, auch wenn keine Berufung eingelegt worden ist. Das Urteil gilt wegen der Klagerücknahme als nicht ergangen, der Beklagte kann es zu seinem Schutz für kraftlos erklären lassen, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

 

Rz. 77

Folge der Klagerücknahme ist, dass der Rechtsstreit als von Anfang an nicht rechtshängig gilt, die mit der Rechtshängigkeit verbundenen Folgen fallen also wieder weg. Der Kläger kann daher später eine identische Klage erneut anhängig machen, ohne dass dem der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit oder einer über den Streitgegenstand ergangenen rechtskräftigen Entscheidung entgegenstünde. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger im Fall der Klagerücknahme zu tragen, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Dies kann auf Antrag des Beklagten durch Gerichtsbeschluss ausgesprochen werden. Allerdings hat das Zivilprozessrechtsreformgesetz mit § 269 Abs. 6 ZPO eine Regelung aufgenommen, wonach der Beklagte die Einlassung bei erneuter Klageeinreichung verweigern kann, bis die Kosten des ersten Prozesses erstattet sind. Weiter ist durch § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auch eine Rücknahme einer Klage möglich, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage kurz vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, wenn bspw. kurz vor Zustellung der Klage der Beklagte gezahlt hat. In einem solchen Fall kann das Gericht nun gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kostentragung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen festlegen, d.h. genauso wie im Falle der Erledigungserklärung.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge