Rz. 66
Entsprechend den §§ 261 bis 270, 281 ZPO hat die Rechtshängigkeit folgende prozessuale Folgen:
▪ |
Die Geltendmachung des gleichen Anspruchs bei einem anderen oder dem gleichen Gericht in einem zweiten Verfahren ist ausgeschlossen (vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). |
Beispiel:
A erhebt Klage auf die Feststellung, dass eine Kündigung, die er betreffend einen mit B abgeschlossenen Mietvertrag ausgesprochen hat, wirksam sei. Später, während das erste Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, verklagt er B auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts, weil der Mietvertrag durch die Kündigung beendet worden sei.
Hier beziehen sich beide Verfahren zumindest teilweise auf denselben Streitgegenstand, da im Rahmen der Räumungs- und Herausgabeklage, die eine Leistungsklage ist, auch über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden ist. Folglich bleibt A nur die Möglichkeit, im ersten Verfahren die Klage auf die Herausgabe zu erweitern, d.h. von der Feststellungs- auf die Leistungsklage zu erweitern.
▪ |
Die bei Rechtshängigkeit begründete sachliche und örtliche Zuständigkeit des Prozessgerichts bleibt auch bei Veränderung der tatsächlichen Umstände bestehen (vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). |
Beispiel:
A verklagt B an dessen Wohnsitz. B zieht nach Rechtshängigkeit der Klage in einen Ort außerhalb des Bezirks des angerufenen Gerichts um. Nach den allgemeinen Regeln wäre damit das angerufene Gericht örtlich nicht mehr zuständig. Da aber eine bei Rechtshängigkeit der Klage gegebene örtliche Zuständigkeit bestehen bleibt, ist das angerufene Gericht gem. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO weiterhin zur Sachentscheidung befugt.
Rz. 67
In der Praxis gar nicht so selten ist die Konstellation, dass eine Partei eine negative Feststellungsklage erhebt und dann der Beklagte dieser Feststellungsklage seinerseits widerklagend auf Leistung klagt.
Beispiel:
A hat das mit B bestehende Mietverhältnis fristlos gekündigt, da B darin angeblich eine Pythonschlange halte, was nach dem Mietvertrag, der Hausordnung und überhaupt aus seiner Sicht in Deutschland nicht statthaft sei, da andere Mitbewohner und deren Kinder gefährdet würden. B vertritt die Auffassung, dass er die Schlange ordnungsgemäß in einem Käfig halten und alle Vorschriften beachten würde, damit es nicht zu einer Gefährdung seiner Nachbarn komme. B klagt auf Feststellung, dass die fristlose Kündigung des Mietvertrages unwirksam sei. A ist empört und macht widerklagend sofortige Räumung und Herausgabe der Räumlichkeiten geltend.
Hier betreffen Klage wie Widerklage denselben Aspekt, allerdings geht die Leistungsklage weiter als die Feststellungsklage, da dort die Frage der Wirksamkeit der Kündigung "nur" eine maßgebliche Vorfrage des Räumungs- und Herausgabeanspruchs ist. Da die Leistungsklage insoweit weiter als die Feststellungsklage geht, wird die Feststellungsklage des B nachträglich unzulässig, ihr fehlt mangels anderer Anhaltspunkte nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis. Daher muss der B die Feststellungsklage für "erledigt" erklären. A wird dem nicht zustimmen, da aus seiner Sicht die Feststellungsklage von Anfang an unbegründet war; er dringt auf eine Rücknahme der ursprünglichen Klage. Das möchte B nicht, da mit der Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO automatisch die Kostentragungspflicht verbunden ist. Sofern nicht beide Seiten eine Klage für erledigt erklären, spricht man von einem dann folgenden Erledigungsrechtsstreit, d.h. das Gericht prüft, ob aus seiner Sicht ein erledigendes Ereignis eingetreten ist oder nicht. Erledigt ist eine Klage, wenn sie zunächst bei Klageerhebung zulässig und begründet war und erst nach Rechtshängigkeit der Klage aufgrund eines Ereignisses, insbesondere der Erfüllung des Anspruchs, nachträglich unbegründet wurde. Das Gericht entscheidet dann über den diesbezüglichen Feststellungsantrag und die Kosten des Rechtsstreits.