Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 87
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bestimmt, dass die Vorschriften der §§ 1 bis 13 KSchG nicht gelten in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Die Vorschrift findet also unmittelbar Anwendung auf Vorstände von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift keinen Kündigungsschutz genießen. Dabei kann letztlich sogar dahinstehen, ob das jeweilige Anstellungsverhältnis als Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist, da § 14 Abs. 1 KSchG insoweit eine negative Fiktion enthält mit der Folge, dass die dort bezeichneten Personengruppen aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes ausgeklammert sind. Der Ausschluss vom allgemeinen Kündigungsschutz ohne Rücksicht auf eine etwaige Arbeitnehmerstellung verstößt nach Ansicht des BAG auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG und die unterschiedliche Behandlung leitender Angestellten nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch eine Beschränkung der Vertretungsmacht ändert zudem nichts an der Stellung als Organmitglied i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.
Rz. 88
Anderes kann allerdings in den dargestellten Sonderkonstellationen (ruhendes Arbeitsverhältnis, Drittanstellung, umgewandeltes Dienstverhältnis) gelten. Kommt es zum Wiederaufleben eines ruhenden Arbeitsverhältnisses oder kommt es aufgrund Parteivereinbarung zur ausdrücklichen Umwandlung eines Dienstvertrags in einen Arbeitsvertrag, dann findet § 14 Abs. 1 KSchG insoweit keine Anwendung. Zu prüfen ist dann, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG vorliegen. Ist auch dies zu verneinen, liegt ein "normales" Arbeitsverhältnis vor mit der Folge, dass die §§ 1 bis 13 KSchG in vollem Umfang greifen.
Rz. 89
Bei der Drittanstellungskonstellation stellt sich die Frage, ob § 14 Abs. 1 KSchG nur im Verhältnis zur Organgesellschaft oder auch zum Drittunternehmen zur Anwendung kommt. Das BAG meint insoweit, dass die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 KSchG nur dann zur Anwendung komme, wenn das Organverhältnis und das Anstellungsverhältnis zwischen denselben Parteien bestehe, der Geschäftsführer also einen Anstellungsvertrag mit der GmbH habe, bei der er zum Geschäftsführer bestellt sei. Habe der Geschäftsführer hingegen bei der GmbH & Co. KG seinen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft oder im Konzernunternehmen mit der Muttergesellschaft abgeschlossen, sei die Anwendbarkeit des KSchG jedenfalls nicht über § 14 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen. Entscheidend ist in diesen Fällen aber nicht, wie weit die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 KSchG reicht, sondern entscheidend ist, ob bei dem anstellenden Drittunternehmen ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt. Handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis, dann gelten die §§ 1 bis 13 KSchG entweder mit der Einschränkung gem. § 14 Abs. 2 KSchG oder bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen uneingeschränkt. Bei dem Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG ist die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG also nur im unmittelbaren Verhältnis der vertretenen juristischen Personen zu ihrem Organvertreter anzuwenden. Die Bestimmung findet keine Anwendung, wenn es sich um ein Vertragsverhältnis zur KG und nicht zur Komplementär-GmbH handelt. Hierbei bleibt es auch in Ansehung der Entscheidung des BAG vom 20.8.2003, die sich mit der Auslegung des § 5 Abs. 1 bis 3 ArbGG im Hinblick auf die Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG befasst. Das BAG hat in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung in § 14 Abs. 1 KSchG einen anderen Inhalt als die Regelung in § 5 Abs. 3 ArbGG habe. Wenn also bei einer GmbH & Co. KG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer der GmbH und der KG besteht, dann findet nach Auffassung des BAG (nach wie vor) auf dieses Arbeitsverhältnis das KSchG Anwendung.
Rz. 90
Im Jahre 2005 hat das BAG entschieden, dass bei einer GmbH & Co. KG, wenn ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH aufgestiegen und dann als Geschäftsführer wieder abberufen wird, das alte Arbeitsverhältnis in der Regel nicht wieder auflebt. Vereinbaren die Parteien jedoch nach der Kündigung des Geschäftsführervertrags eine Weiterbeschäftigung des Betreffenden ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so lässt dies mangels abweichender Vereinbarung regelmäßig auf den Parteiwillen schließen, die Beschäftigungszeit als Geschäftsführer auf das neu begründete Arbeitsverhältnis anzurechnen. Auch insoweit empfiehlt es sich in der Praxis dringend, ausdrückliche Regelungen zu treffen, damit diese Zweifelsregelung nach der Rechtsprechung des BAG nicht zur Anwendung gelangt, denn das BAG hat ausdrücklich festgestellt, dass ein abweichender Parteiwille, der dahin zielt, die frühere Beschäftigungszeit als Geschäftsführer unberücksi...