Rz. 36

Spricht man vom Messsystem PoliScan Speed, so ist sofort anzumerken, dass es sich um ein softwarebasiertes Auswerteverfahren handelt. Der erste Leitsatz der Informatik lautet, dass es keine fehlerfreie Software gibt, was nur bedeuten kann, dass ein solches Messgerät nie 100 %ig korrekt arbeiten kann.

 

Rz. 37

Wenngleich die PTB sich auf eine Messwertanzahl von 20.000 beruft, ohne dass es zu Fehlmessungen (außerhalb der Verkehrsfehlergrenze) kam, so darf nicht übersehen werden, dass sich nach der Auswertung von vielen Falldatensätzen in weit überwiegender Anzahl zu hohe Tempoeinblendungen im Vergleich zu den weiter oben genannten Weg-Zeit-Messungen ergaben. Hier wurden Falldatensätze ausgewertet, bei denen eine Abweichung von bis zu 7 km/h festgestellt wurde, was seitens der PTB stets damit begründet wurde, dass es sich bei den Angaben in den Zusatzdaten um Einzelwerte zu Beginn und am Ende der Messung handelt, die für sich genommen viel ungenauer seien, als eine Regressionsrechnung aus einer Vielzahl von einzelnen Messpunkten.

Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, wenngleich man aber anführen muss, dass eben ein solcher Messwert Bestandteil des Gesamtdatensatzes ist und damit gleichermaßen eine Messwertbildung ausschließlich zugunsten des Betroffenen darstellt.

Es ist mit Sicherheit so, dass durch eine Messung mit mehreren Hundert Punkten eine höhere Sicherheit bzgl. des gemittelten Tempowertes herbeizuführen ist, als durch diese Weg-Zeit-Betrachtung zweier einzelner Punkte. Dies könnte der Hersteller bzw. die PTB ganz leicht dadurch bewerkstelligen, dass eben diese Messwerte auch dem Auswerter (Sachverständigen) zur Verfügung gestellt werden, was bislang allerdings nicht geschieht. Man mag trefflich darüber spekulieren, weshalb diese Daten nicht offengelegt werden.

 

Rz. 38

Dass der vom Autor Ende 2013 in einem entsprechenden Artikel[2] beschriebene Stufenprofileffekt (oder Abgleiteffekt) tatsächlich existiert, wurde selbst vom Hersteller eingeräumt. Stets beruft man sich darauf, dass es sich um eine mathematisch sehr einfache Betrachtung eben dieser beiden Zusatzdaten handelt, während nur die Gesamtmessung zu einer verlässlicheren Tempoeinschätzung führen soll.

In der Untersuchung des Autors Ende 2013 konnte festgestellt werden, dass die Tempoabweichungen bei kantigen, hoch aufbauenden Kfz (z.B. Lkw) gering ausfielen – hier stimmten die angezeigten Tempowerte mit der Auswertung der internen Daten gut (im Bereich von 1 oder 2 km/h) überein. Bei hoch liegender Hilfslinie und einem stark angeschrägten Fahrzeug (Keilform, wie bei Vans häufig zu beobachten), konnten hingegen ganz erhebliche Abweichungen festgestellt werden, die sich auch physikalisch einfach begründen lassen.

In der Abbildung 4 (Rdn 39) sieht man zuoberst die Abtastung eines Familienvans – darunter selbige an einem kantigen Transporter. Unterhalb dieser beiden Skizzen befindet sich das zugehörige Weg-Zeit-Diagramm. Dargestellt worden sind nur insgesamt drei Fahrzeugmodelle je Ansicht – bestünde die Messung aus z.B. 400 Einzelpunkten, so müsste man derer 400 skizzieren, was aber unübersichtlich würde.

 

Rz. 39

Abbildung 4: Unterschiedliche Abtastung von Kfz-Konturen

 

Rz. 40

Wird nun der zuoberst zu sehende Familienvan aufgrund einer hoch liegenden Hilfslinie erstmals an der oberen Dachkante erfasst, so kann dies bei weiterer Vorwärtsbewegung aufgrund der schrägen Silhouette zu einer kontinuierlichen, also nicht etwa sprunghaften Laserabtastung von der oberen Dachkante bis zum vorderen Kennzeichen, ganz linkes Modell, führen. Das Fahrzeug legt, bezogen auf die Front, eine deutlich kürzere Strecke zurück, als der Laserabtastpunkt, der an der Dachkante ansetzt, dann über die schräge Motorhaube kontinuierlich hinunter in Richtung vorderes Kennzeichen läuft.

Stellt man diesem Kfz-Schrägprofil die vordere Kante eines hochaufbauenden Transporters gegenüber, so sieht man, dass an selbigem der Laserabtastpunkt immer an einer senkrechten Kfz-Stelle liegt, womit letztlich auch die vom Transporter gefahrene Strecke jener der Laserreflexionsstrecke entspricht. Beim Familienvan ist die von den Laserstrahlen zurückgelegte Strecke größer als der eigentliche Fahrweg, weshalb man bei solchen Fahrzeugprofilen niemals den gerade eben beschriebenen Stufeneffekt (oder Abgleiteffekt) ausschließen kann. Hieran würden auch 400 weitere kleine Fahrzeugmodelle nichts ändern, würde nämlich der Laserpunkt ganz gleichmäßig an der Karosserie herunterlaufen.

In diesem Zusammenhang ist auf eine Herstellerangabe hinzuweisen, wonach die Genauigkeit der einzelnen Abstandswerte des Laserscanners mit einer Toleranz von 0,3125 m (sog. Tiefenschärfe) ermittelt werden. Eine solche Toleranz findet sich übrigens in der innerstaatlichen Bauartzulassung nicht. Dies kann mithin dazu führen, dass bei der fix angegebenen Messphase zwischen 50 und 20 m eben der früheste Messpunkt bei 50,3125 m bauartbedingt gelegen haben kann. Die Bauartzulassung würde dann letztlich nicht eingehalten, was aber mehr e...

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