Rz. 382
Die Rechte des Versicherers bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer sind in §§ 19 bis 23 VVG geregelt. Danach ist wie folgt zu differenzieren: Liegt eine arglistige Täuschung vor, ermöglicht § 23 VVG dem Versicherer die Anfechtung des Versicherungsvertrags. Im Falle der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist der Versicherer berechtigt, vom Vertrag zurück zu treten (§ 19 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 VVG). Andernfalls ist der Versicherer lediglich zur Kündigung des Versicherungsvertrages unter Einhaltung einer Frist von einem Monat berechtigt (§ 19 Abs. 3 S. 2 VVG). Soweit der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis des nicht angezeigten Umstands, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, sind das Rücktrittsrecht wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und das Kündigungsrecht ausgeschlossen. Der Versicherer hat in diesem Fall nur das Recht, den Vertrag den anderen Bedingungen anzupassen. Soweit der Versicherungsnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, kann der Versicherer die Vertragsbedingungen rückwirkend anpassen, andernfalls erst ab der laufenden Versicherungsperiode.
Rz. 383
Dem Versicherer stehen die Rechte zum Rücktritt, zur Kündigung und zur Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 1–4 VVG nur dann zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).
Rz. 384
Beachte
Hat der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt, stehen dem Versicherer trotz fehlender oder unzureichender Belehrung die Rechte nach § 19 Abs. 1–4 VVG zu.
Rz. 385
Die Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG erfordert eine inhaltlich umfassende, unmissverständliche und aus der Sicht des Versicherungsnehmers eindeutige Belehrung. Wird dem Antragsteller durch die Belehrung der unzutreffende Eindruck vermittelt, die Rechtsfolgen des Rücktritts, der Anfechtung oder Kündigung bzw. der Verweigerung von Leistungen seien von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht abhängig, während die nur leicht fahrlässige Verletzung folgenlos bliebe, so ist die Belehrung missverständlich. Der Wirksamkeit der Belehrung steht es nicht entgegen, dass bei der Darstellung der Rechtsfolgen der Vertragsanpassung nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss für ein Risiko Vertragsbestandteil wird, das sich sodann in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat.
Rz. 386
Eine gesonderte Mitteilung in Textform setzt voraus, dass die Belehrung sowohl drucktechnisch als auch hinsichtlich der Platzierung so gestaltet ist, dass sie für den VN unübersehbar ist und sich insbesondere vom übrigen Text desselben Dokuments durch eine andersartige drucktechnische Gestaltung abhebt. Das Erfordernis einer "gesonderten" Belehrung setzt nicht voraus, dass die Belehrung auf einem "Extrablatt" erfolgt. Wo die Belehrung konkret zu erfolgen hat (vor/in unmittelbarer Nähe zu den Antragsfragen und/oder vor/in unmittelbarer Nähe zur Unterschrift), ist eine Frage des konkreten Einzelfalls unter Würdigung der Gesamtumstände. Nach Auffassung des OLG Hamm kann die Warnfunktion der Belehrung nur dadurch erreicht werden, dass die Belehrung "im Kontext mit den Antragsfragen" erfolgt. Eine Belehrung auf der letzten Seite des Antragformulars, mehrere Seiten nach dem Fragenkatalog zu etwaigen Gesundheitsstörungen und der Unterschrift erfüllt die Voraussetzungen von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG nicht. Ebenfalls nicht ausreichend ist ein kurzer Hinweis zur Belehrung in einer längeren "Erklärung zum Antrag", der nicht besonders hervorgehoben ist, verbunden mit einem Hinweis am Anfang der Antragsseite zu den Gesundheitsfragen, dass die "Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Nr. 12 der Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen" zu beachten sind, und einem weiteren Hinweis im unteren Drittel der Seite auf die "Mitteilung nach § 19 Absatz 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht (s. Nr. 12)", wenn auch diese beiden Hinweise aufgrund eines durchgehend kleinen Schriftgrades und eines auch in anderen Passagen verwendeten Fettdrucks im dichtbedruckten Formulartext untergehen, insbesondere wenn andere Passagen mit einem Rahmen hervorgehoben sind. Mit § 19 Abs. 5 S. 1 VVG vereinbar ist hingegen die Verwendung einer sog. "Doppelbelehrung", bei der der Versicherer den Versicherungsnehmer zunächst unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit den Risikofragen allgemein auf die möglichen Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hinweist und diese sodann an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen erläutert. Bei nachträglichen Fragen i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 2 VVG muss eine erneute ...