Berufsunfähigkeitsversicherung: Behandlung verschwiegen - Versicherung muss dennoch zahlen
Eine junge Frau hatte im Jahr 2013 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Am 20. Februar 2016 stellte sie einen Antrag auf Leistungen aus der Versicherung. Ein Sachverständiger hatte bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt, die dazu führe, dass die Frau auf Dauer zu mehr als 50 Prozent in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei.
Versicherung wollte Vertrag rückwirkend zu Lasten der Versicherten anpassen
Die Versicherung reagierte auf den Antrag mit Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Versicherten und sprach am 10. Oktober eine rückwirkende Vertragsanpassung aus. Mit der Vertragsanpassung wurden Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend ab Vertragsbeginn aus dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, sofern psychische und/oder psychosomatische Erkrankungen oder nachgewiesene Folgen dieses Leidens die Ursache der Berufsunfähigkeit bilden.
Therapiesitzungen beim Antrag zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung verschwiegen
Die Versicherung begründete ihr Vorgehen damit, dass die Versicherte im Versicherungsantrag objektiv falsche Angaben gemacht habe. So habe sie verschwiegen, dass sie als 18-järhige im Zeitraum zwischen Juni und September 2008 und damit im nach den Antragsunterlagen maßgeblichen Fünfjahreszeitraum von ihrer Hausärztin eine Überweisung zu einem Therapeuten erhalten habe. Von dem Therapeuten wurde sie in fünf probatorischen Sitzungen untersucht. Allerdings hatte der Therapeut nach den Sitzungen entschieden, dass eine Behandlung des Lampenfiebers, das Anlass für die Überweisung gewesen war, nicht erforderlich sei.
Das Landgericht hatte entschieden, dass die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten gemäß § 19 Abs. 4 S. 2 VVG unverschuldet erfolgte. Das OLG Dresden bestätigte diese Auffassung. Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 4 VVG entstünden nur dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit verletzt, dem Versicherer die ihm bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung bekannten Gefahrenumstände anzuzeigen. Daran fehle es hier.
Gericht: Lampenfieber keine Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung
Als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung komme nur ein Zustand in Betracht, der vom normalen Gesundheitszustand so stark und so nachhaltig abweiche, dass dadurch die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft beeinträchtigt werde. Ein ausgeprägtes Lampenfieber unterhalb der Schwelle zur krankhaften Prüfungsangst stellt nach Auffassung des OLG noch keine Beschwerde der Psyche dar.
Keine Verletzung der Anzeigepflicht – Arztbesuche glaubhaft aus dem Gedächtnis gelöscht
Entscheidend sei in dem Fall, dass die Versicherte vor Gericht glaubhaft bekundet habe, sie habe den gesamten Sachverhalt, der zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags knapp fünf Jahre zurücklag, aus ihrem Gedächtnis gelöscht, weil sie nicht aus eigenem Antrieb, sondern nur auf Drängen ihrer Mutter der Abklärung ihres „Lampenfiebers“ zugestimmt habe. Bis auf ein nettes Gespräch sei bei den fünf Sitzungen nichts Besonderes herausgekommen.
Der Versicherten könne keine Verletzung der Anzeigepflicht vorgeworfen werden, entschied das Gericht.
(OLG Dresden, Urteil v. 06.12.2022, 4 U 1215/22)
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