Rz. 313

Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist, dass der Versicherungsnehmer den Widerruf wirksam innerhalb der Widerrufsfrist erklärt hat.

 

Rz. 314

Für die Lebensversicherung ist zu beachten, dass abweichend von der zweiwöchigen Widerrufsfrist des § 8 Abs. 1 S. 1 VVG eine Widerrufsfrist von 30 Tagen gilt (§ 152 Abs. 1 VVG). Ausreichend für die Fristwahrung ist es, wenn der Widerspruch durch den Versicherungsnehmer innerhalb dieser Frist von 30 Tagen abgesendet wurde.[471] Der Zugang der Widerrufserklärung beim Versicherer innerhalb der Widerrufsfrist ist für einen wirksamen Widerruf demgegenüber nicht erforderlich.

 

Rz. 315

Für den Beginn der Widerrufsfrist ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 VVG nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern derjenige Zeitpunkt maßgeblich, an dem dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein einschließlich allgemeiner Versicherungsbedingungen, die sonstigen Informationen nach § 7 VVG sowie die Widerrufsbelehrung zugegangen sind. Lediglich beim Anfragemodell dürfte – abweichend von der gesetzlichen Regelung – für den Beginn der Widerrufsfrist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich sein. Denn beim Anfragemodell erhält der Kunde den Versicherungsschein einschließlich allgemeiner Versicherungsbedingungen, die sonstigen Informationen nach § 7 VVG sowie die Widerrufsbelehrung regelmäßig als Angebot des Versicherers, das noch der Annahme des Kunden bedarf. Da der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (der Zugang der Annahmeerklärung des Kunden beim Versicherer) damit regelmäßig erst nach Erhalt der nach § 7 Abs. 2 VVG für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblichen Informationen liegt, ist auf diesen späteren Zeitpunkt abzustellen.[472] Für den Versicherungsnehmer ist dies nicht nachteilig, da er seine Vertragserklärung bereits vor Beginn der Widerrufsfrist widerrufen kann.[473]

 

Rz. 316

Im elektronischen Geschäftsverkehr beginnt die Widerrufsfrist abweichend von § 8 Abs. 2 VVG nicht mit Zugang des Versicherungsscheins und der Vertragsbestimmungen, der Informationen gem. § 7 VVG und der Widerrufsbelehrung, sondern erst mit Erfüllung der in § 312e Abs. 1 S. 1 BGB geregelten Pflichten (§ 8 Abs. 4 VVG).

 

Rz. 317

Gemäß § 8 Abs. 2 Ziff. 2 VVG muss die deutlich gestaltete Widerrufsbelehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs dem Versicherungsnehmer seine Rechte deutlich machen und den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen enthalten, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, sowie einen Hinweis auf den Fristbeginn und darauf, dass der Widerruf keine Begründung enthalten muss und dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt. Ausreichend ist eine Belehrung, nach der die Widerrufsfrist "nach Erhalt" der maßgeblichen Unterlagen beginnt.[474] Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Berechnung der Widerrufsfrist bedarf es nicht.[475] Die Widerrufsbelehrung ist deutlich gestaltet, wenn sie durch eine andere Farbe, Schriftart oder Schriftgröße oder durch Einrücken, Einrahmen oder in anderer Weise so hervorgehoben ist, dass sie sich drucktechnisch von den übrigen Vertragsunterlagen unterscheidet und sich damit wesentlich vom übrigen Text ­abhebt.[476]

 

Rz. 318

Gemäß § 8 Abs. 5 VVG genügt die zu erteilende Belehrung den in Abs. 2 S. 1 Nr. 2 genannten Anforderungen, wenn das Muster der Anlage zum VVG in Textform verwendet wird. Die Musterwiderrufsbelehrung für Versicherungsverträge wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (VerbrKredRLUG) vom 29.7.2009[477] umgesetzt mit Geltung ab 11.6.2010.

 

Rz. 319

Die Legalitätsfiktion ordnungsgemäßer Belehrung nach § 8 Abs. 5 S. 1 VVG greift bei Verwendung des gesetzlichen Musters nur dann, wenn die verwendete Widerrufsbelehrung der Musterwiderrufsbelehrung vollständig entspricht.[478] Unerheblich ist es gemäß § 8 Abs. 5 S. 2 VVG, wenn die verwendete Belehrung in Format und Schriftgröße von der Musterwiderrufsbelehrung abweicht, im Übrigen aber deutlich gestaltet ist. Eine solche unerhebliche Abweichung liegt vor, wenn die verwendete Widerrufsbelehrung abweichend von der Musterwiderrufsbelehrung nicht umrahmt, sondern farblich unterlegt,[479] durch Fettdruck[480] oder durch fette Balken links und rechts der Belehrung[481] hervorgehoben ist. Weicht die verwendete Widerrufsbelehrung in anderer als in § 8 Abs. 5. S. 2 VVG zulässiger Weise von der Musterwiderrufsbelehrung ab, ist die verwendete Belehrung an den Vorgaben des § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG zu messen.[482]

 

Rz. 320

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 VVG steht das Widerrufsrecht ausschließlich dem Versicherungsnehmer, nicht hingegen der versicherten Person zu. Soweit bei Versicherungsverträgen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung der Arbeitgeber einen Versicherungsvertrag auf das Leben des Arbeitnehmers als versicherte Person abschließt, steht das Widerrufsrecht damit a...

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