Rz. 251
Vor Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG am 29.7.1994 bedurften die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Genehmigung der Versicherungsaufsicht. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat die Versicherungsaufsicht auf eine sehr vorsichtige Beitragskalkulation der Versicherer geachtet, um eine langfristige Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicher zu stellen. Soweit die entsprechend einkalkulierten Sicherungszuschläge nicht mehr benötigt wurden, wurde der Versicherer verpflichtet die entstandenen Überschüsse im angemessenen Umfang an die Versicherungsnehmer zurückzugewähren. Die Kontrolle der Überschussbeteiligung oblag allein der Aufsichtsbehörde im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Versicherungsaufsicht.
Rz. 252
Für vor dem 29.7.1994 abgeschlossene Lebensversicherungsverträge (Altbestand) besteht die Rechtslage aus der Zeit vor Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auch nach dem 29.7.1994 fort: Der von der Aufsichtsbehörde genehmigte Geschäftsplan gilt im vollen Umfang weiter, Änderungen des Geschäftsplans (und damit auch Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Altbestands) bedürften der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§§ 336, 12 Abs. 1 VAG).
Rz. 253
Die Musterbedingungen des GDV aus der Zeit vor Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG enthielten in § 16 Abs. 1 bzgl. der Beteiligung der Versicherungsnehmer daher lediglich einen Verweis auf den genehmigten Geschäftsplan:
Zitat
"Um die zugesagten Versicherungsleistungen über die in der Regel lange Versicherungsdauer hinweg sicherzustellen, sind die vereinbarten Lebensversicherungsbeiträge besonders vorsichtig kalkuliert. An dem erwirtschafteten Überschuss sind unsere Versicherungsnehmer entsprechend unserem jeweiligen von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan beteiligt."
Dabei ist die Bezugnahme auf den genehmigten Geschäftsplan in den Musterbedingungen des GDV aus der Zeit vor der sog. Deregulierung als vertragliche Vereinbarung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGVVG anzusehen. Durch die Bezugnahme auf den Geschäftsplan gelten die Regelungen des Geschäftsplans somit als vereinbart und die im Geschäftsplan vorgesehenen Verteilungsgrundsätze als angemessen.
Rz. 254
Mit Urt. v. 23.11.1994 hatte der BGH über die Wirksamkeit der vorstehenden Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Lebensversicherer zu entscheiden. Der BGH stellte in diesem Urteil zunächst klar, dass bei einer Bestimmung in den Bedingungen oder der Satzung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, nach welcher der Überschuss dem Versicherungsnehmer gebührt und sich nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan regelt, der Versicherungsnehmer keinen Anspruch darauf hat, dass das Gericht den Betrag des Überschusses bestimmt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Verweisung in Allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen oder in der Satzung auf den Geschäftsplan zur Regelung der Überschussbeteiligung nicht nach § 9 AGB-Gesetz unwirksam ist. Weiter kann der Versicherungsnehmer aus dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan keine die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung betreffenden Rechte herleiten. Enthalten die ALB oder die Satzung keine Regelung darüber, wie der Überschuss festzustellen ist, hat der Versicherungsnehmer nach der Entscheidung keinen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven, wenn sich die Überschussbeteiligung nach einem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan regelt. Gegen die Entscheidung des BGH wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die das BVerfG mit Urt. v. 26.7.2005 entschieden hat (siehe unten Rdn 261).
Rz. 255
Mit Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG im Jahr 1994 entfiel die aufsichtsrechtliche Vorabkontrolle der Geschäftspläne und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch die Versicherungsaufsicht. Die Versicherer waren stattdessen unmittelbar aus § 11 Abs. 1 VAG a.F. (jetzt: § 138 Abs. 1 VAG) verpflichtet, ihre Beiträge unter Einrechnung entsprechender Sicherheitszuschläge so zu kalkulieren, dass die Ansprüche der Versicherungsnehmer auf Dauer erfüllbar sind. Die Verpflichtung, Überschüsse in angemessenen Umfang der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zuzuführen, ergab sich aus dem § 81c Abs. 1 VAG a.F. und den damaligen Bestimmungen der Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung. Das VVG selbst enthielt demgegenüber keine Regelung zur Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer. Allerdings war die Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer in § 17 der Musterbedingungen des GDV für die kapitalbildende Lebensversicherung aus dem Jahr 1994 (ALB 94) vertraglich geregelt.
Rz. 256
Eine zwischen 1994/1995 und Ende 2007 vereinbarte Überschussklausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterfällt der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 und 2, 308, 309 BGB. Nicht der Inh...