Rz. 464
Die Erklärung der Anfechtung durch den Versicherer wegen arglistiger Täuschung muss nicht mit einer Begründung versehen werden. Die Bestimmung in § 21 Abs. 1 S. 2 VVG, nach der der Versicherer bei der Ausübung der Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG die Umstände anzugeben hat, auf die er seine Erklärung stützt, findet auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 22 VVG keine Anwendung. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 VVG, der lediglich auf die dem Versicherer nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG zustehenden Rechte Bezug nimmt und nicht auf die Regelung zur arglistigen Täuschung in § 22 VVG. Die Anfechtungserklärung muss im Übrigen eindeutig sein. Aus der Erklärung muss sich ergeben, dass der Versicherer nicht nur die Leistung verweigert, sondern den Vertrag insgesamt beseitigen will. Die Anfechtungserklärung kann in einen Rücktritt umgedeutet werden. Die Umdeutung einer Rücktrittserklärung in eine Anfechtungserklärung ist hingegen nicht möglich, weil eine Anfechtungserklärung weitergehende Rechtsfolgen hat als eine Rücktrittserklärung.
Rz. 465
Die Anfechtung erfolgt gem. § 142 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. Hinsichtlich des richtigen Erklärungsempfängers wird auf die Ausführungen zu den Rechten nach §§ 19 Abs. 2–4 VVG verwiesen (siehe oben Rdn 436).
Rz. 466
Die Anfechtung ist gem. § 124 Abs. 1 BGB nur binnen Jahresfrist zulässig. Die Frist beginnt nach § 124 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Erforderlich ist wie beim Rücktritt die sichere Kenntnis des Versicherers. Ein Verdacht oder eine Vermutung setzt die Frist noch nicht in Gang. Es reicht auch nicht aus, dass der Anfechtungsberechtigte über Erkenntnisse verfügt, aus denen sich Anhaltspunkte für die wahre Sachlage ergeben. Die Kenntnis muss sich nicht nur auf die objektive Unwahrheit der Angaben, sondern auch auf die subjektive Arglist des anderen Teils beziehen. Die einjährige Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB kann auch zu laufen beginnen, wenn die Anfechtung nur bezüglich eines Vertrags ausgesprochen wird, es aber unterbleibt, eine Prüfung vorzunehmen, ob sich im Bestand der verschmolzenen weiteren Gesellschaften weitere Verträge befinden und ob diese von den Anfechtungsgründen betroffen sind. Wenn Anlass besteht, die in den eigenen Datenbanken und Akten gesammelten Daten abzurufen, ist die beim Versicherer allgemein vorhanden gewesene Kenntnis aktuelles und von ihm zu berücksichtigendes Wissen geworden mit der Folge, dass auch bezüglich der weiteren Verträge die Anfechtungsfrist beginnt.
Rz. 467
Für die Erklärung der Anfechtung des Versicherers gilt die Ausschlussfrist von zehn Jahren nach Abgabe der anfechtbaren Willenserklärung gemäß § 124 Abs. 3 BGB. Die Frist nach § 21 Abs. 3 VVG ist auf die Wirksamkeit der Zehn-Jahres-Frist nach § 124 Abs. 3 BGB und die Rechtsfolgen ihrer Versäumnis ohne Einfluss.