Rz. 282

Gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der ab dem 29.7.1994/1.1.1995 geltenden Fassung kommt ein Versicherungsvertrag auch dann wirksam zustande, wenn der Versicherer die Aushändigung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen nach § 10a VAG a.F. an den Versicherungsnehmer bei Antragstellung unterlassen hat, wenn der Versicherungsnehmer nicht nach Überlassung der Unterlagen dem Versicherungsvertrag widerspricht (sog. Policenmodell).

 

Rz. 283

§ 5a Abs. 2 S. 4 VVG in der vom 21.7.1994 bis zum 30.12.2007 geltenden Fassung enthielt eine Regelung, nach der das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Mit Urt. v. 19.12.2013[390] hat der EuGH entschieden, dass diese Regelung gegen die bis zum 18.12.2002 geltende Zweite und Dritte Richtlinie Leben verstieß. Im Anschluss daran hat der BGH mit Urt. v. 7.5.2014[391] festgestellt, dass die Regelung in § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. richtlinienkonform dergestalt zu reduzieren sei, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Leben keine Anwendung findet. Für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen bestehe das Widerspruchsrecht auch nach Ablauf der Jahresfrist fort, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten habe.

aa) Ordnungsgemäße Belehrung

 

Rz. 284

Für die Erfüllung der Belehrungspflicht nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. ist entscheidend, dass der Versicherungsnehmer eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erhalten hat. Auch wenn der Versicherungsnehmer im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht hatte, steht dem Versicherungsnehmer bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ein Widerspruchsrecht zu.[392] Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung ist abstrakt zu beantworten.[393] Auch dann, wenn der Versicherungsnehmer trotz mangelhafter Belehrung Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht hatte, ist dies für die Frage der Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung ohne Bedeutung.[394] Daher ist eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung auch dann nicht entbehrlich, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss durch einen Makler beraten worden war.[395] Die Beweislast dafür, dass die Widerspruchsbelehrung den Anforderungen nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. genügt, obliegt dem Versicherer.

 

Rz. 285

Hat der Versicherungsnehmer in seinen Vertragsunterlagen verschiedene Widerspruchsbelehrungen erhalten, ist maßgebend, ob die Belehrung im Policenbegleitschreiben, im Versicherungsschein, in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder den Verbraucherinformationen ordnungsgemäß ist. Erfüllt nur die Widerspruchsbelehrung im Antrag die gesetzlichen Anforderungen, ist dies für eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nicht ausreichend. Enthalten das Policenbegleitschreiben, der Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen zwei Widerspruchsbelehrungen, von denen eine ordnungsgemäß ist und die andere nicht, geht von der falschen Belehrung keine Irreführungsgefahr aus, wenn nur die ordnungsgemäße Belehrung drucktechnisch hervorgehoben war.[396]

[392] BGH v. 1.6.2016 – IV ZR 343/15, VersR 2016, 973, 974.
[393] BGH v. 27.1.2016 – IV ZR 130/15, r+s 2016, 230; BGH v. 1.6.2016 – IV ZR 343/15, VersR 2016, 973, 974.
[395] BGH v. 1.6.2016 – IV ZR 343/15, VersR 2016, 973, 974.
[396] BGH v. 30.7.2015 – IV ZR 63/13, r+s 2016, 66.

bb) Inhalt der Widerspruchsbelehrung

 

Rz. 286

Der Inhalt der Widerrufsbelehrung muss nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein und den Kunden über sein Widerrufsrecht klar und eindeutig belehren.[397] Dabei dürfen allerdings keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.[398]

[397] BGH v. 17.12.1992 – I ZR 73/91, NJW 1993, 1013, zur Widerrufsbelehrung nach § 1 Abs. 1 HWiG; BGH v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800, 1801, zur Widerrufsbelehrung nach § 1b Abs. 2 S. 2 AbzG.
[398] BGH v. 17.12.1992 – I ZR 73/91, NJW 1993, 1013, zur Widerrufsbelehrung nach § 1 Abs. 1 HWiG.

(1) Hinweis auf die Form des Widerspruchs in der Widerspruchsbelehrung

 

Rz. 287

Die Widerspruchsbelehrung muss den Versicherungsnehmer zwingend über die einzuhaltende Form des Widerspruchs unterrichten. Im Hinblick auf die Form des Widerspruchs sah § 5a Abs. 2 S. 1 VVG in der bis zum 31.7.2001 geltenden Fassung vor, dass der Widerspruch schriftlich zu erfolgen habe. § 5a Abs. 2 S. 1 VVG in der vom 1.8.2001 bis 31.12.2007 geltenden Fassung forderte demgegenüber, dass der Widerspruch "in Textform" zu erfolgen habe.

 

Rz. 288

Für die Wirksamkeit einer Widerspruchsbelehrung bei einem bis zum 31.7.2001 geschlossen Vertrag ist erforderlich, dass der Versicherungsnehmer darüber belehrt wird, dass der Widerspruch "schriftlich" zu erfolgen hat. Bei einem Vertragsschluss ab dem 1.8.2001 muss die Widersp...

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